Tour statt Kur: James Last

Mehrfach als bester deutscher Jazzbassist ausgezeichnet, 80 Millionen verkaufte Schallplatten und der weltweit erfolgreichste deutsche Musiker - nur die wenigsten denken da an Hans Last aka. James Last. Der Meister des ohrenschmeichelnden Bigbandsounds, ob er nun gerade Volksmusik, US-Pophits oder Weihnachtslieder arrangiert. Mittlerweile über 80 Jahre, schrieb er auch deutsche Fernsehgeschichte und prägte da jahrzehntelang als lässig-verschmitzter Orchesterdirigent im legendären weißen Anzug die Samstagabendunterhaltung. Und er hat immer die Hand am Puls der Musik, er nahm einen Song mit Fettes Brot auf, arbeitete mit Jan Delay und Xavier Naidoo. Und sogar der Kult-Regisseur Quentin Tarantino wollte für den Soundtrack seines Films „Kill Bill“ unbedingt einen James Last-Song! Demnächst tingelt er auch wieder durch unsere Region; zum Zeitpunkt des Gesprächs weilte James Last in seinem Haus in Hamburg. Ausgesprochen gut gelaunt stand er uns Rede und Antwort. Er hat eine sehr sympathische Stimme und unaffektierte Art; den Hanseaten hört man vom Akzent her kaum, vom Charakter her aber durchaus heraus. Trotz internationaler Erfolge en masse hat er sich eine ganz eigene Aussprache bewahrt; Show klingt bei ihm also eher wie Schoooh und Teenage Dream wie Dschienschdriem - ein grundsympathischer Mann.

XAVER: Guten Morgen Herr Last.

James Last: Guten Morgen! Warten Sie, ich geh’ nur eben in mein Zimmer, dauert nur eine Sekunde (man hört, wie er mit dem Telefon durchs Haus läuft). So, eine Sekunde, zwei, drei (lacht)... jetzt. Danke fürs Warten!
X: Ach, doch nicht dafür. „Mein Zimmer“, das klingt lustig, fast als wären Sie ein kleiner Bub, der sich in seine Kammer unterm Dach zurückzieht...

JL: Ach nein, das ist eben nur das Zimmer, in dem meine ganzen Sachen rumstehen, Computer usw.
X: Sie gehen im März und April ja wieder auf Tour. Was steht denn momentan so auf dem Plan, sind Sie schon am Proben?

JL: Wenn, dann bin ich dieser Tage am Ausschreiben der Stimmen fürs Orchester. Das mache ich mittlerweile ja alles am Computer und später wird das für alle ausgedruckt. Die Musiker haben dann schon alle das Programm zu Hause liegen und können also die ersten Proben für sich selbst machen.
X: Und wie viele Tage vor dem ersten Konzert ist dann die erste Ensemble-Probe?

JL: Drei, vier Tage vorher. Vier Tage vorher fangen wir mit dem Chor an, drei Tage vorher mit dem Orchester und dann auch bald mit dem Licht, der Bühne und der ganzen Show.
X: Wie viele Leute sind daran beteiligt?

JL: Im Orchester sind wir genau 38; der ganze Tross besteht aus 80 Leuten, die zusammen auf Reise gehen.
X: Oha, das ist dann auch logistisch eine Herausforderung.

JL: Ja, auf jeden Fall. Aber es funktioniert immer wieder sehr gut, toitoitoi!
X: Als Sie aus Anlass Ihres 80. Geburtstags vor ca. zwei Jahren auf große Tournee gingen, dachten viele, dass das wohl die Abschiedstour sein würde. Wie geht’s Ihnen denn so zwischen den Touren, werden Sie da unruhig, wenn Sie länger als ein paar Tage am selben Ort sind?

JL: Na ja, was heißt unruhig; ich habe ja immer zu tun. Man ist ja unentwegt mit etwas beschäftigt und zumindest ich bin das ganze Jahr über voll ausgelastet. Und ich finde das ja auch nach wie vor toll, was junge Leute so für Musik machen, da kann man sich immer gut orientieren.
X: Aber Sie sind doch seit Jahren wohl mehr unterwegs als daheim, oder?

JL: Ach, das wäre übertrieben. OK, ich habe ein Studio in Florida und eins hier in Hamburg. Das heißt, in Hamburg habe ich alles hier in meinem Zimmer, alle Geräte, die ich brauche. Und sowie mir etwas einfällt, setze ich mich hin und dann geht das los.
X: Auf der kommenden Tour gibt’s Songklassiker aus über fünf Jahrezehnten Ihrer Karriere, aber wie immer auch topaktuelle Hits. Können Sie da schon ein bisschen etwas verraten?

JL: Ohhhh... ja, es ist einiges dabei. Von den Black Eyed Peas haben wir was neues im Programm, wobei natürlich auch viele alte Klassiker - ob nun Walzer oder Trompetensachen - auftauchen, dann aber eben auch wieder „Pokerface“ oder „Bad Romance“ von Lady Gaga. Und am Schluss haben wir dann ein Medley, das sich nur aus Tophits zusammensetzt, also z.B. „I Like“, „WakaWaka“, „Teenage Dream“, „We No Speak Americano“, „Only Girl“ usw.
X: Sie haben sich immer gegen Genregrenzen gewehrt, immer über den eigenen Tellerrand geschaut und Neues für sich entdeckt. Was ist denn dieser Tage so unter Ihren Favoriten an aktueller Musik, haben Sie da gerade was Neues für sich entdeckt?

JL: Nee, noch nicht, ich warte auf den Grammy (also die Grammy-Verleihung - Anmerk. d. Verf.). Ich finde die Shows immer toll und schaue mir das gerne an. Und ich finde die Voreingenommenheit vieler junger Leute auch unverständlich, egal ob Lady Gaga oder Eminem, die machen alle tolle Musik und sind tolle Leute!
X: Man hat Sie bei Madonna-Konzerten gesehen und Sie sind wohl auch recht begeistert von Lady Gaga und Usher. Der ist kürzlich in Berlin unschön aufgefallen, als er ein Konzert offensichtlich stark angetrunken frühzeitig abgebrochen hat - für Sie als Profi undenkbar, oder?

JL: Nein, das geht natürlich nicht, nein. Aber na ja, Usher war zwischenzeitlich eben auch wieder im Tal.
X: Als Orchesterchef verlangen Sie von ihrem Team neben den selbstverständlichen musikalischen Fähigkeiten nur zwei Sachen: dass sie Spaß an Ihrem Tun haben und dass sie normale Menschen sind. Woran erkennen Sie denn den normalen Menschen?

JL: Ach, ich weiß nicht, ob ich das mal so gesagt habe. Aber wichtig ist für mich, dass ich die Musiker kenne und erkenne, die Qualitäten erkenne. Bei uns hat jeder die Gelegenheit, seine Fähigkeiten zu zeigen und ich hafte für alle. So hat jeder seinen Spaß, die, die frei improvisieren können, dürfen das und so ist da auch für den einzelnen viel Spaß drin, es ist ein echtes Ausnahmeorchester.
X: Unterwegs mit einer so großen Truppe, sind Sie da auch als Rudelführer, Schlichter und „Papa“ gefragt, da menschelts doch auch ordentlich?

JL: Ja, klar. Aber das ist eben genau wie in jeder Familie. Wie ich schon sagte, ich schreibe da jedem seine Parts auf den Leib und versuche gut mit ihnen umzugehen. Erziehung ist da vielleicht ein schlechtes Wort, aber das Zusammenleben ist wichtig.
X: Wie ist das bei Ihnen, also sowohl auf Tour als auch privat bei Ihrer Familie, fällt es Ihnen da leicht, auch mal auf den Tisch zu hauen und...

JL: Ach, das brauche ich gar nicht. Es klingt unglaublich, gerade bei Musikern, aber wir haben in 30 Jahren niemanden gehabt, der zu spät gekommen ist!
X: Wow, das sind ja fast schon „deutsche Tugenden“!

JL: (lacht) Ja, was heißt deutsch? Das sind Tugenden! Ich habe eben immer zu den Leuten gesagt, dass man ja wohl nicht verlangen kann, dass alles wartet, nur weil einer zu spät kommt.
X: Aber manchmal kann man ja auch gar nichts fürs zu spät Kommen. Wenn z.B. ein Verkehrsmittel streikt...

JL: Aber wir wohnen ja immer zusammen in einem Hotel, sind also immer alle beisammen und so ist eine gewisse Ordnung da, ohne das man groß hinterher ist.
X: Friedrich Nowottny nannte Sie einst den „Karajan der kleinen Leute“. Haben Sie das gern gehört oder schwang da für Sie eher ein geringschätziger Unterton fürs U-Musik-Segment mit?

JL: Nein, überhaupt nicht. Und der Nowottny ist ein toller Typ. Dieses Gespräch fand damals bei einer Geburtstagsfeier von mir statt. Wir saßen beide hinten im Bus beisammen und irgendwann fiel dann mal dieser „Karajan der kleinen Leute“-Begriff.
X: Aber es gibt ja schon immer mal wieder Leute, die da ganz strikt trennen, zwischen E- und U-Segment.

JL: Ja, aber die Grenzen sind ja viel verwaschener heutzutage. Es gibt ja ständig irgendwelche Rockgruppen, die mit Sinfonieorchestern zusammenspielen usw., und für mich gilt sowieso: Musik ist Musik! Spielt gar keine Rolle, was für ein Stil oder was für eine Richtung das ist, es gibt gute Volksmusik, es gibt gute Rockmusiker...
X: Stichwort gute Musiker. Mit 17 spielten sie zusammen mit Ihren Brüdern Robert und Werner im Tanz- und Unterhaltungsorchester von Radio Bremen - was haben denn Ihre Brüder für eine Karriere eingeschlagen?

JL: Naja, die sind ja beide schon verstorben. Werner hatte selbst ein Orchester - unter dem Namen Kai Werner - und der Robert hat das auch fortgeführt. Sie haben also alle mit der Musik weitergemacht bis zum Lebensende.
X: Ach, dann lag das also offensichtlich in der Familie bzw. in den Genen.

JL: Oh ja, das kann man so sagen. Mein Vater hat uns viel gegeben. (lacht)
X: 1964 unterschrieben Sie Ihren Plattenvertrag mit der Polydor, der Sie über 30 Jahre treu geblieben sind - sind Sie ein Mensch, der auf Bewährtes setzt und vertraut?

JL: Das könnte man so sagen. Aber ich war da ja schon 30 Jahre alt und hatte für viele andere gearbeitet. Und habe eben gemerkt, dass sich das alles gleicht, überall gibt’s Vor- und Nachteile. Ich habe dann schließlich bei Polydor unterschrieben, weil ich für die auch schon die meiste Arbeit gemacht hatte, u.a. für Freddy Quinn, Katja Ebstein, Caterina Valente usw.. Und ich dachte eben, dass ich dort auch am ehesten die Chance hätte, was eigenes zu machen. Und so bin ich heute noch dort, Universal war ja früher Polydor. Und es ist gut gelaufen, mein Leben ist ja toll gewesen!
X: 80 Millionen verkaufter Schallplatten, erfolgreichster deutscher Musiker weltweit - was motiviert Sie denn nach wie vor sich hinzusetzen und zu arbeiten? Viele andere würden sich wohl eher für ein paar Millionen eine Insel kaufen und die Früchte ihrer Arbeit genießen...

JL: Ich arbeite ja nicht, ich mache ja Musik! Das ist ein Unterschied. Ich genieße das, was ich mache und das ist tatsächlich so. Ich kann hier Tag und Nacht vor dem Computer sitzen, wenn ich will (greift hörbar in die Tasten), ist alles da. Und mit den heutigen Werkzeugen ist das ja auch nicht mehr so mühsam wie früher.
X: War das denn sehr mühselig für Sie, dieser Umstieg vom klassischen Notieren, Komponieren und Aufnehmen zur Arbeit mit dem Computer?

JL: Zuerst ja. Vor zwei Jahren ist dann mein erster Computer zusammengebrochen. Da musste ich dann wieder alles neu machen und musste alles mit neuen Geräten wieder anfangen. Und die Industrie macht das ja auch immer clever, wenn man da ein neues Teil hat, dann braucht man die anderen Sachen auch wieder alle neu. Man muss also immer wieder was Neues lernen, und jedes Mal wird es wieder idealer und besser.
X: Dann sind Sie also technisch absolut auf der Höhe der Zeit?

JL: Ach, ich beherrsche das nicht bis ins letzte Detail, aber ich kann toll damit arbeiten.
X: 1978 bekamen Sie durch den damaligen Bundespräsidenten Walter Scheel das Bundesverdienstkreuz am Bande überreicht. War das ein besonderer Moment in Ihrer Karriere?

JL: Na, Walter Scheel, war ja auch ein toller Mann, ein aufgeschlossener Mensch, und seine Frau war ja auch sehr engagiert.
X: Haben Sie in einem Ihrer Häuser einen gesonderten Raum für Ihre vielen Auszeichnungen?

JL: Ach Gott! Die ersten goldenen Schallplatten waren ja noch aus echtem Gold, die sind auf der Bank. Und die anderen sind verteilt, ein paar sind im Keller, ein paar hängen hier rum. Hier habe ich z.B. gerade eine Auszeichnung für 80 Millionen Kassetten von Readers Digest.
X: Wow, das sind ja fast schon surreale Zahlen, das kann sich ja gar keiner mehr vorstellen so was.

X: Ihre Frisur und Garderobe änderte sich über die Jahre immer mal wieder, was blieb war der Bart. Kennen Sie das Sprichwort „Ein Mann ohne Bart ist ein Krüppel!“?

JL: (lacht lauthals los) Nee, das kenne ich nicht, ist aber sehr gut!
X: Noch was zur äußeren Erscheinung. Für das Cover des für viele überraschenden Albums „They Call Me Hansi“ von 2004 setzte Ihnen der Ausnahmefotograf Anton Corbijn einen Cowboyhut auf - haben sie den noch?

JL: Nee, den hat er mitgebracht und auch wieder mitgenommen. Er hatte wohl schon im Vorfeld diese Vorstellung von mir mit dem Hut.
X: Na, und bei so einem Ausnahmekünstler ist man dann wohl auch gerne bereit alles zu machen, was der so ansagt.

JL: Das ist es ja gerade, der hat gar nichts gesagt!
X: Ach so?

JL: Der macht einfach nur, das ist so ein toller Mann.
X: Gibt es etwas, was Sie im Rückblick auf Ihre Karriere bereuen?

JL: Nein, warum sollte ich? Das ist alles so toll gelaufen. Ich könnte noch zehn Jahre weiter machen und würde weiter mit der Zeit gehen. Das musikalische Leben ist eigentlich gut so.
X: Haben Sie noch so etwas wie einen unerfüllten künstlerischen Wunsch?

JL: Nee, da sage ich seit Jahren immer: weiter machen!
X: In diesem Sinne!


zurück