Subtrahieren im stillen Kämmerchen: Pierre M. Krause

Er ist Autor, Schauspieler, Kabarettist, vor allem ist der 1976 in Karlsruhe geborene Pierre M. Krause aber eine erfrischende Ausnahme im deutschen Fernsehen. Jugendlich, schlagfertig und gerne auch mal frech, aber ohne je fies zu werden, kann er sich glaubhaft auf seine Gesprächspartner einstellen und einlassen. Los ging es damals bei DASDING.tv und seit mittlerweile zehn Jahren macht er im SWR-Fernsehen die 30-minütige Late-Night-Show „SWR3latenight“. Was mancher nicht weiß: Er moderiert die Sendung nicht nur und empfängt dort prominente Gäste, er schreibt, schneidet und produziert auch Einspiel-Filme und Serien (wie z.B. „CSI: Baden-Baden“) innerhalb der Show. Zudem ist er in diversen anderen Formaten beim SWR, der ARD aber auch im Privatfernsehen zu sehen. Für die RTL-Sendung „TV-Helden“ wurde er mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet. Mehrere Jahre war er auch im Team der Harald Schmidt-Show, was im Genre ja einem Ritterschlag gleichkommt. Zuletzt gab es etwas Ärger mit dem SWR und dessen Gleichstellungsbeauftragten, als Krause sich mit eigens kreierten Werbespots für die bei eBay zum Verkauf stehende, aber ohne Gebote vor sich hindümpelnde ehemalige Betriebstankstelle des SWR starkmachte. Die beiden kreativ-amüsanten Spots (einer für das öffentlich-rechtliche Fernsehen, einer für das Privatfernsehen) finden sich übrigens noch im Internet. In Ulm kann man ihn demnächst live im Roxy erleben, wo er sein erstes Buch - „Hier kann man gut sitzen: Geschichten aus dem Schwarzwald“ - präsentiert.

XAVER: Herr Krause, ist die SWR-Tankstelle denn mittlerweile verkauft?

Pierre M. Krause: Sie ist inzwischen weg. Wer sie gekauft hat, weiß ich leider nicht.

X: Sie sind gerade in Kanada. Machen Sie Urlaub, oder sind Sie für Recherchezwecke oder zum Drehen dort?

PMK: Urlaub. Neues entdecken. Im Grunde ist das auch irgendwie Recherche und Inspiration. Von der Steuer werde ich die Kosten aber nicht absetzen.

X: Ende Juni sind Sie dann im Ulmer Roxy und lesen aus Ihrem Buch „Hier kann man gut sitzen: Geschichten aus dem Schwarzwald“. Im Buch geht es um Ihre „Expedition“ in den wilden Schwarzwald. Nach ein paar Jahren des Wohnens in Baden-Baden, zogen sie aufs Land und haben Ihre Erfahrungen in ein Buch verwandelt. Wie kamen Sie auf die Idee?

PMK: Die Idee kam auf mich. Das Leben in der deutschen Provinz inspiriert und ich wollte eh ein Buch schreiben. Irgendwann riefen mich innerhalb einer Woche zufällig vier große deutsche Verlage nacheinander an und fragten, ob ich nicht ein Buch schreiben möchte. Das Thema könne ich mir aussuchen. „Passt!“, dachte ich und schrieb. Jede Fernsehnase macht das schließlich irgendwann. Da wollte ich nicht unangenehm auffallen.

X: Fast alles hat seine Vor- und Nachteile, der Städter idyllisiert das Landleben und wer auf dem Dorf lebt, träumt von der Großstadt. Ist so ein bisschen wie mit den Kirschen in Nachbars Garten, oder?

PMK: Meine Nachbarn hatten keine Kirschen. Ich hätte aber sicherlich welche bekommen, die waren nämlich alle sehr nett dort. Es gibt gerade unter Städtern offensichtlich eine gewisse Sehnsucht nach dem Landleben. Man liest die „Landlust“ in der U-Bahn und lässt sich vom Biobauern eine Kiste verschrumpeltes Gemüse zum Preis eines Kleinwagens ins urbane Umfeld liefern. Der Landbewohner betont dagegen gerne, dass man ja in einer halben Stunde in der Stadt sein könne. Er fährt aber nie hin, weil man so schlecht Parkplätze bekommt.

X: Mittlerweile wohnen Sie wieder in der Stadt. War die Schwarzwald-Episode von vorne herein zeitlich begrenzt, oder warum dann doch wieder zurück in die Stadt?

PMK: Alles ist zeitlich begrenzt, Veränderungen tun gut und halten fit. Ich wollte wieder ein kulturelles Leben um mich haben. Ich wollte Clubs und Diskotheken in meiner Reichweite, um dann ganz bewusst nicht hinzugehen. Nicht weil ich nicht kann, sondern weil ich nicht will. Man kann im Ländlichen wenig unternehmen, ohne ein Auto zu bewegen. Das nervt irgendwann. Aber dafür war es mit den Parkplätzen sehr viel besser.

X: Was steht denn in Ihrem Bücherregal? Oder sind Sie schon komplett weg vom Papier und haben alles in Ihrem E-Book-Reader?

PMK: Das Buch als solches wird bei mir immer ein gutes Heim finden. Ich mag das Haptische, den Geruch, die Patina eines mehrfach gelesenen Werkes. Fürs Reisen habe ich mir kürzlich einen E-Book-Reader zugelegt, um mehrere Bücher platzsparend dabei haben zu können. Durchaus praktisch, aber für mich nur die Reiselösung. Was in meinem Bücherregal steht? Eine sehr, sehr weitreichende Mischung aus allem. Und alles von Hermann Hesse.
X: Und ist denn ein weiteres Buch in Arbeit?

PMK: Noch nicht, aber ich möchte gerne. Muse und Zeit fehlen noch.

X: Im stillen Kämmerchen schreiben, ist das überhaupt etwas für Sie? Man kennt Sie ja vor der Kamera und gerne vor Publikum und an sich im Dialog mit Gästen …

PMK: Das stille Kämmerchen gefällt mir gut. Ich sitze zum Beispiel auch wirklich sehr gerne im Schnitt, wenn ich die Filme für die Late-Night bastle. Beim Buchschreiben ist man völlig alleine und das bin ich eigentlich auch ganz gerne. Was mir aber keiner gesagt hat: Das ist verdammt noch mal verdammt viel Arbeit! Am schlimmsten sind die Stunden und Tage, an denen man vor einem fordernd blinkenden Cursor sitzt und nichts an die Tastatur weitergeben kann oder einfach unzufrieden mit dem Geschriebenen ist.

X: In Karlsruhe, wo Sie heute wieder leben, sind Sie ja auch geboren. Erkennen Sie da nicht viele Leute? Ist das auch manchmal anstrengend so als „Sohn der Stadt“?

PMK: Man erkennt mich auch in anderen Städten und bisher war es selten unangenehm oder anstrengend. Die meisten sind sehr nett und ich freue mich ja, wenn sich jemand das gerne anschaut, wofür ich Gebührengeld bekomme. Ich kann mich außerdem ganz gut unsichtbar machen und meide größere Menschenmassen sowieso meistens.

X: Was sind denn Ihre ersten städtischen Kindheitserinnerungen?

PMK: Der Geruch des warmen Asphalts, wenn ein Sommerregen ihn nässte. Der Zoo Karlsruhe. Meine Mutter war dort oft mit mir. Diese Kinder-Autos im Zoo fahren auf Schienen und ich dachte immer, ICH lenke die. Dachte ich, bis letzte Woche.

X: „SWR3latenight“ ist mittlerweile mehr als acht Jahre auf Sendung und steht bei über 450 Folgen. Können Sie sich noch an die erste Sendung erinnern?

PMK: Ja. Frank Elstner war mein Gast. Das war 2005. Er soll auch irgendwann Gast meiner letzten Sendung sein. Also 2050.

X: Late-Night-Shows in Deutschland war ja lange Zeit fast synonym mit Harald Schmidt. Sie haben einige Zeit für und mit ihm gearbeitet. Was haben Sie von ihm gelernt?

PMK: Dass es einem überhaupt nicht den Spaß verderben muss, eine Sendung zu machen, die keiner guckt.

X: In Ihrer Karriere haben Sie unzählige Prominente getroffen. Gibt es noch einen seither unerfüllten „Traumgast“?

PMK: Da fällt mir auf die Schnelle gar keiner ein. Hmm. (Überlegt) Mit Conan O'Brien würde ich mich gerne mal unterhalten. Und mit Woody Allen.

X: Nach einer kurzen Phase in der Sie einen „normalen“ Weg als Bankkaufmann beschreiten wollten, haben Sie sich für IWMM entschieden und sind beim Fernsehen gelandet. Sie sind auf eine sehr sympathische Art frech, schlagfertig und lustig. Haben Sie Vorbilder?

PMK: Nein. Das lenkt nur ab.

X: Warum haben Sie eigentlich nicht „Wetten dass?“ übernommen?

PMK: Ich habe in meiner Sendung damals beim ZDF-Programmchef angerufen und präventiv mitgeteilt, dass ich dafür nicht zur Verfügung stehe. Carsten Spengemann hat sich beworben, ich habe mich subtrahiert.

X: Das Fernsehen ist tot, dem Internet gehört die Zukunft. Und auf Ihrer Internetseite steht: „Bin kurz mal weg“ - was ist denn da los?

PMK: Ach. Stimmt. Ich sollte da mal was machen. In Sachen digitaler Selbstvermarktung bin ich ein totaler Idiot. So eine Website hat man heute, nicht wahr? Ich mache da mal was mit MySpace oder StudiVZ ...

X: Beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen spricht man (nicht umsonst?) ja auch von Sendeanstalten, was so ein bisschen Bilder von kafkaesken verschachtelten Gebäuden und weißen, hinten geschnürten Jacken ins Hirn projiziert. Wie ist so morgens das Gefühl, wenn der Wecker klingelt und Sie zur Arbeit „müssen“?

PMK: Ich DARF zur Arbeit gehen und kann es mir selbst ein bisschen einteilen, wann ich den Sender betrete. Der öffentlich-rechtliche Senderalltag hat etwas rührend Bodenständiges. Ich mag das. Das kann im Übrigen auch sehr inspirierend sein.

X: In der Reihe „Praktikant Pierre“ erkunden Sie Berufe. Etwas, das jeder machen sollte, bevor er sich für einen Beruf entscheidet. Dass die Bank-Branche nichts für Sie war, ist klar, aber gibt es noch andere Berufe, die gar nicht gehen würden bei Ihnen?

PMK: Ich wäre ein sehr schlechter Gewichtheber. Als Atomphysiker würde ich mich sicherlich auch nicht besonders gut machen. Als Spanischlehrer wäre ich ebenso eine Niete. Ich spreche kein Spanisch.

X: Die ersten drei „Krause kommt!“-Folgen sind gesendet. Sie quartieren sich bei dem Format für eine Nacht bei Prominenten ein und zeigen deren privates Umfeld. Hat die Quote gepasst? Wird es weitere Folgen geben?

PMK: „Ja“ zur ersten Frage. „Weiß ich nicht“ zur zweiten Frage. „Pizza“ zur dritten Frage. Es gab keine dritte Frage? Dann habe ich wohl Hunger.

X: Sie bringen da auch immer Geschenke mit. Das stelle ich mir schwierig vor, bei Leuten, die man nicht gut kennt … Was verschenken Sie gerne? Was geht immer?

PMK: Alkoholika. Geht fast immer, kommt immer weg und lockert die Gesprächsatmosphäre bei Bedarf.

X: Vom Bund Freiheit statt Baden-Württemberg wurden Sie zum „Badener des Jahres 2015“ gekürt. Arbeiten Sie also mit Ihrem Amtsvorgänger Tony Marshall an der Abspaltung Badens?

PMK: Nicht im Geringsten. Ich habe selbst keine Ahnung, wie ich diese Ehre verdient habe, aber ich freue mich natürlich. Ich selbst bin da Kosmopolit und mag auch die Schwaben gerne. Echt jetzt.
X: Sie haben mal gesagt: „Erfreulicherweise brauche ich keinen Fußball, um Alkohol zu trinken.“ Aber falls es zum Aufstieg/Abstiegs-Relegations-Derby zwischen dem KSC und dem VfB kommt, schauen Sie sich das an?

PMK: Ja. Wenn ich Zeit habe. Und Pizza. Hm. Ich habe wohl wirklich Hunger.

X: Was gibt es in naher Zukunft von Ihnen zu erwarten?

PMK: Gleichbleibende Qualität und höchste Motivation in der Erfüllung der Zuschauererwartungen.
X: Machen Sie überhaupt langfristige Pläne?

PMK: Bisher hat sich gezeigt, dass das wenig Sinn hat und es irgendwie ohnehin immer anders kommt. Ich lasse mich gerne überraschen. Pläne verhindern Überraschungen.


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