Lapvona

→ Literatur für Unerschrockene

Wolfszeit im Dorf der Hölle

Otessa Moshfeghs steigt mit„Lapvona“ in die Untiefen menschlicher Verderbtheit

Strandlektüre waren ja schon die früheren Bücher der US-Amerikanerin Otessa Moshfegh nicht wirklich. Und wenn man ihr neuestes Werk unbedingt in den Ferien lesen möchte, dann geht das nur an schroffer Felsenküste mit spitzig-schwarzem Geröllstrand. Denn Moshfegh entführt ihr Publikum ins finsterste Mittelalter-Setting des fiktiven Dorfes Lapvona. Dort geht der irre Herrscher Villiam mit seinem Zepter eher so um, wie ein Kleinkind mit einer Rassel: planlos, lustorientiert und schwer launisch. Leidtragende dieses gänzlich verantwortungslosen Treibens sind die bemitleidenswerten Dorfbewohner, denen er in schöner Regelmäßigkeit Räuber auf den Hals hetzt und in Zeiten der Dürre auch mal das Wasser abdreht.
Ins Zentrum des widerwärtigen Geschehens rückt immer mehr Marek, der verwachsene Sohn des Lammhirten Jude, der in argloser Grausamkeit immer mehr sein Schicksal erfüllt und sich zum Nachfolger Villiams entwickelt. Otessa Moshfegh entwickelt diese Höllenfahrt nicht mit den Mitteln des Schauerromans, sondern unter den Vorzeichen der mutmaßlichen Ergebenheit und Gläubigkeit mittelalterlicher Gesellschaften: Autorität wird von den Dörflern akzeptiert und mit in einem Mix von Wunderglaube und Demut ausgehalten. Und gleichzeitig ist die zivilisatorische Decke fadenscheinig dünn: In einer sich immer rasanter drehenden Abwärtsspirale lässt die Autorin wirklich keine Abscheulichkeit menschlicher Niederträchtigkeiten aus: Kannibalismus, Inzest, Vergewaltigung, Mord. Alles wird in diesem Roman in nüchternster Sprache und größter Selbstverständlichkeit durch zelebriert und dürfte empfindsame Gemüter schnell an ihre Grenzen bringen. Wer das jedoch aushält, wird mit außergewöhnlicher Literatur belohnt.

Otessa Moshfegh
aus dem Englischen von Anke Caroline Burger
230 Seiten
Hanser Berlin,
26,– €, eBook 19,99 €


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