Jürgen von der Lippe - VOLL FETT

07.10., Aalen, Stadthalle

Als Formulierungshilfe für den Einstieg böte sich vielleicht an:
„Voll Fett“ nennt der große alte Mann der Zwerchfellerschütterung sein neuestes
Comedyprogramm und dieser Titel ist -wie immer- mehrdeutig, oder polysem, wie ich
als Altsprachler sagen würde. Einerseits könnte es bedeuten: Ich bin viel jünger als ich
wiege, oder Jugendslang (Juvenolekt) sein für „richtig toll“.
Die augenfälligste Neuerung ist ein Riesenbildschirm als Bühnenhintergrund, mit dem
ich mir einen langgehegten Wunsch erfülle: Comedy mit Hilfe von Bildern und kleinen
Filmen zu erzeugen, wie ich es 10 Jahre lang bei „Geld oder Liebe“ gemacht habe.
Munition dafür liefert mein unerschöpfliches Privatarchiv, in wenigen Fällen, wenn es
passt, auch mal das, was täglich via WhatsApp über mich hereinbricht. Außerdem
kann man so die Hintergrundstimmung ständig wechseln.
Das Programm beginnt mit einem turbulenten Seminar über Jugendsprache, in das
die Zuschauer einbezogen werden, dann werden einige Unterschiede zwischen alt und
jung erläutert, über die sich die meisten bisher nicht im Klaren waren:
Fernsehverhalten, was kann man von kleinen Kindern lernen und Sex.
Dann erläutere ich, warum die Fotofunktion des Handys für mich die wichtigste ist,
gefolgt von einer ersten Runde wirkmächtigen Bildmaterials.
Nach einer virtuosen Instrumentalkurzfassung von „When a man loves a woman“ zeige
ich die Untiefen von Paarbeziehungen auf mit Schwerpunkt auf gemeinsamen
Schlafzimmern, formal angelehnt an Hegel, nicht an sein Schlafzimmer, sondern seine
Dialektik, These, Antithese, Synthese.
Wie ich überhaupt -meinem Alter angemessen- in Erinnerungen schwelge, von denen
Jean Paul sagt, dass die das einzige Paradies sind, aus dem wir nicht vertrieben
werden können, blicke ich nun zurück auf die drei schönsten Liebeslieder meiner
Karriere, die ich zu einem herzzerreißenden Medley verschlankt habe, das die vielen
Frauen im Publikum emotional so beutelt, dass ich mich gezwungen sah, anschließend
mit einem ganz kleinen erbaulichen Tierfilm gegenzusteuern.
Es folgt ein Vortrag über die Unterschiede männlicher und weiblicher Sichtweisen
unter Einbeziehung neuester tierbiologischer Erkenntnisse.
Nach einem kleinen Exkurs über Epikur und seine Ansichten über das Abwägen
zwischen flüchtigem Genuss und den Langzeitfolgen findet der Text sein fulminantes
Ende in einer durchaus selbstironischen Betrachtung von Sex im Alter.
Die erste Hälfte endet mit einer umjubelten Demonstration der deutschen
Schlagerinterpreten, die in meiner Kindheitsbiographie in gesundheitlicher und
psychischer Hinsicht eine wichtige Rolle gespielt haben.
Teil 2 wird eingeleitet vom Altrocker Kalle, der von seinen Erlebnissen beim Fliegen
erzählt.
Dann ein kurzer Abriss über den aktuellen Stand der Wissenschaft in Sachen Alkohol,
unter anderem die Tatsache, dass Menschen unter mäßigem Alkoholeinfluss besser
Rätsel lösen können, was ich einige Damen im Publikum, die vielleicht mal mit einer
Karriere als Tagesschausprecherin geliebäugelt hatten, mit Hilfe böser Testtexte
dokumentieren lasse. Nach Einblicken in meine geplante Doktorarbeit: „ Populäre
Trinksprüche und Lieder im Wandel der Zeit“, folgt ein neues gemeinschaftsförderndes
Trinklied.
Es folgt ein Rückblick auf meine „wilde“ Zeit, natürlich nur, um zu erläutern, wie
psychosomatische Krankheiten entstehen. Vorher stelle ich noch klar, dass ich nicht,
wie oft kolportiert, Hypochonder bin, sondern Nosophobiker.
Dann unterstützt mich das Publikum bei einer Mentalimprovisation, deren Schilderung
mir meine Bescheidenheit verbietet, weil man dabei nur mit Superlativen arbeiten
könnte.
Krankheit, bzw. eine leidensreiche Rekonvaleszenzphase ist das nächste Thema, bei
der offenbar lebhaft mitgelitten wird, wie die zahlreichen akustischen Reaktionen
beweisen.
Es folgt eine sehr persönliche Schilderung meiner Kindheit anhand eigenen
Fotomaterials.
Rudelsingen ist eine zu Recht ungemein beliebte Unternehmung, ich mache das mit
Auszügen aus vier meiner populärsten Liedern und darf sagen: Die Begeisterung dafür
übersteigt meine kühnsten Erwartungen.
Mit einer kleinen, aber sehr spektakulären Lesung aus meinem 13. Buch „Beim
Dehnen singe ich Balladen“ beschließe ich den offiziellen Teil, natürlich nur, um mit
„der Einsame“, einem Gedicht von Heinz Erhard, für dass ich eine Musik geschrieben
habe, die nach der Mitwirkung meiner ältesten musikalischen Vorbilder schreit, Herbert
Grönemeyer, Udo Lindenberg und Peter Maffay, die Menschen vollends von den
Stühlen zu holen. Die letzte Zugabe gehört -wie immer, möchte ich fast sagen- Donald
Trump und dem apokryphen Sexvideo aus Moskau.
Natürlich liegt mir fern, Ihnen positive Kritiken unter die Nase zu halten, aber manchmal
erspart es einem einfach Arbeit.


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