Frage nicht

In „Müll“ steckt Wolf Haas seinen Privatermittler Brenner in eine orangefarbene Arbeitskluft

Die eigentliche Frage ist ja: Wie haben wir es die vergangenen acht Jahre überhaupt ausgehalten – so ganz ohne einen neuen Fall mit dem in seinem Nichtermitteln spektakulär erfolgreichen Ermittler Simon Brenner? Wobei der eigentliche Star des Sprachkünstlers Wolf Haas auch diesmal nicht sein verkrachter Ex-Polizist ist, sondern diese wunderliche Erzählerstimme, die wie eine dauerquasselnde Drohne überall gleichzeitig ist, in ihrem ankumpelnden Ton die unmöglichsten Gedanken miteinander verbindet und mit ihrer Hausmacher-Philosophie die Welt erklärt.
In „Müll“, dem neunten „Brenner“-Krimi, ist das mehr der Fall denn je. Und das zu einem Ausmaß, dass es erst im letzten Viertel rasant wird und vorher breit und gemütlich eine Bestandsaufnahme unserer Lage gemacht wird: „Ohne die Wiederverwertung wäre die Welt schon längst untergegangen.“ So etabliert der österreichische Autor den Handlungsort seines neuen Abenteuers: einen Wiener Mistplatz – sprich Recyclinghof. Auf einem solchen herrscht nicht nur diesseits der Alpen humorloseste Trennpflicht, so dass schon weit weniger als falsch entsorgtes menschliches Knie für Aufruhr sorgt. Und der sich als Mietnomade durchschlagende Mistplatz-Angestellte Brenner sieht sich nicht nur in eine orangefarbene Arbeitskluft gesteckt, sondern wider Willen in einen neuen Fall hineingezogen. Für die Wolf-Haas-Bestandskundschaft sind die sich mutmaßlich während der Corona-Zeit aufgestaut habenden Lebensfragen ohne Zweifel ein Fest - und das Wiedersehen mit dem Romanhelden natürlich auch. Neueinsteiger sind besser beraten, sich erst einmal an früheren Werken zu versuchen. Denn „Müll“ ist wie extrastarkes Lakritz oder sehr reifer Käse: ein Fest für Genießer, für andere eher „bäh“.

Sprachspaß mit altem Bekannten

Müll
Wolf Haas
288 Seiten
Hofmann & Campe, 24 €, eBook 16,99 €


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