Eigentum

„Das hätten wir also“. Mit einem Lebenscountdown setzt Wolf Haas in „Eigentum“ seiner Mutter ein Monument

Wer, wenn nicht der großartige österreichische Autor Wolf Haas, sollte das schaffen? Die letzten drei Tage seiner eigenen Mutter zu nutzen, um deren Leben und Sterben zu einer Erzählung auf nicht einmal 160 Seiten zu verdichten und ganz neben bei sogar seine eigene Poetologie niederzuschreiben. Als wäre der nahende Muttertod nicht Stress genug, hängt drohend nämlich eine Poetikdozentur über dem Sohn. Die zur Unzeit kommende lästige Pflicht ist für uns Leser aber ein Segen. Denn zwischen dem Erzählen des Früher und Jetzt bringt sie auch noch etwas theoretischen Überbau ins Spiel - und damit herrlich viel Raum für Haas’ absurde Gedankenflüge. „Kann man vom Leben schreiben?“ ist dann auch der nach langem Ringen gefundene Titel. Der trifft auch „Eigentum“ ganz gut - und das Buch gibt gleich die Antwort darauf: Selbstverständlich! So schreibt Wolf Haas nach neun Krimi-Kunstwerken mit seinem nicht ganz einfachen Ermittler Simon Brenner nicht nur über seine etwas schwierige Mutter, ihre Herkunft, den langen und vergeblichen Kampf um ein Stück Land, einen Bauplatz, ein eigenes Haus, Schicksalsschläge und prägende Ereignisse, über die Tendenz südlicher Dialekte zum Konjunktiv und die kaum erklärbare Bedeutungsbreite der schlichten Feststellung „Das hätten wir also“.
Das ist unglaublich ehrlich und von der Sache her tieftraurig, aber durch den typisch grüblerischen Haas-Humor in seine Schwere komplett gebrochen und letztendlich ein außerordentlicher Liebesbeweis voller kluger Einsichten.
„Roman“ steht zwar drauf. Echtes Leben ist aber drin in diesem Meisterstück, das durch seine fortwährenden Verdrehungen zwar nicht den Tod besiegen kann, aber es doch schafft, ein ganzes Leben einzufangen.
Vom Leben und Sterben

Eigentum
Wolf Haas
160 Seiten
Hanser, 22 €, eBook 16,99 €


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