Drei Säulen, zwei Brüder, ein Koch: Ehrlich Brothers

Die zwei Brüder Chris und Andreas Ehrlich rollen die Magierwelt gerade von hinten auf. Mit internationalen Preisen überschüttet, treten sie jetzt nach jahrelanger Vorbereitungszeit ins Rampenlicht und begeistern die Massen. Die ganz großen Kollegen haben schon angeklopft, um ihnen Tricks abzukaufen und in letzter Zeit sind sie sogar verstärkt im Fernsehen präsent. Interviews mit Magiern können recht öde sein, weil ein Teil ihrer Faszination ja im Geheimnis liegt, aber die Ehrlich Brothers fallen auch da aus dem Rahmen. Ein quicklebendiger, lustiger und total für seine Kunst brennender Chris Ehrlich gab uns bereitwillig Auskunft.

XAVER: Chris, Mitte Januar seid Ihr in Schwäbisch Gmünd…

Chris Ehrlich: Ja, genau. Wir waren vor einem halben Jahr schon mal da. Es hat uns sehr gefallen und deswegen haben wir es in die Tour mit aufgenommen - es ist, glaube ich, sogar die kleinste Location auf der ganzen Tour!

X: Es läuft ganz gut zurzeit, inklusive einiger TV-Präsenz.

CE: Doch, kann man so sagen. Wir haben mittlerweile knapp 30 Zusatzshows angehängt. Die Show wird supergut angenommen und wir erfahren einen sehr schönen, kleinen Hype dieser Tage.

X: Ihr wurdet 2004 als „Magier des Jahres“ ausgezeichnet. Das ist so was wie der Ritterschlag in Eurem Geschäft. U.a. wurden David Copperfield und Siegfried & Roy mit der Auszeichnung bedacht. War das der seitherige Höhepunkt in Eurer Laufbahn?

CE: Das war auf jeden Fall einer der Höhepunkte. Und wir haben diesen Preis tatsächlich dieses Jahr bereits zum zweiten Mal vom Magischen Zirkel verliehen bekommen, und das haben nur sehr wenige Magier vor uns geschafft. Die Verleihung war im Tempodrom in Berlin und Laudator war Mario Barth!

X: Ihr seid dieser Tage in aller Munde, aber so ganz das „Promilevel“ von Siegfried & Roy oder David Copperfield habt Ihr noch nicht erreicht. Plant Ihr demnächst eine medienwirksame Modelhochzeit oder gehen die Pläne eher so in Richtung weißer Raubkatzen?

CE: (lacht schallend) Nein, weiße Raubkatzen sind uns zu gefährlich und in Sachen Verlobungen… schauen wir mal! Wir lassen uns von der Liebe treiben! Aber es ist so toll, dass die Leute sich für die Show interessieren und wir nicht mit sonstigen PR-Gags aufwarten müssen. Wir haben jahrelang an dem Programm gearbeitet und mittlerweile hat tatsächlich David Copperfield schon angerufen und wollte eine Illusion von uns erwerben! Bei uns kommen die drei Säulen - Idee, Umsetzung und Ausführung - zusammen, was in einem Haus sonst nur ganz selten der Fall ist. Das ist wie in der Musik. Da gibt’s Komponisten, Produzenten und Künstler. Nur ganz wenige Bands oder Künstler vereinen diese drei Positionen in sich. Und in der Magierszene ist das genauso. Nur dauert es hier noch viel länger etwas Eigenständiges zu entwickeln und auf die Bühne zu bringen als im Musikbereich. Das kann im Einzelfall mehrere Jahre dauern! Und das weiß auch Herr Copperfield. Deswegen ist es eben auch gängige Praxis sich Illusionen einzukaufen, weil es eben Zeit und graue Haare spart (lacht). Und obwohl Copperfield das Idol unserer Kindheit war, haben wir uns nach langem hin und her gegen den Verkauf entschieden!

X: Das heißt, Eure eigene Show besteht zu 100 Prozent aus eigenen Tricks?

CE: Nein, 100 Prozent wäre übertrieben. Wir haben auch Illusionen dabei, die wir einfach selbst interpretiert haben. Aber der rote Faden sind Illusionen, die aus unserer Feder stammen. Es sind auch ein paar Klassiker dabei, die ich 2003 auf der Weltmeisterschaft aufgeführt habe, die wir aber selbst gebaut haben. Uri Gellers Löffelverbiegen haben wir auch in der Show, wir leiten dann aber damit zu unserer Eisenbahnschienen-Nummer über!

X: Wenn Copperfield Euer Idol war, seid Ihr dann auch über ihn zum Zaubern gekommen? War er das Schlüsselerlebnis in der Kindheit?

CE: Andreas hat mit acht Jahren seinen ersten Zauberkasten geschenkt bekommen und dieses Fieber hat uns seither nicht mehr losgelassen. Anfangs war ich seine Assistentin (lacht). Es gab Hochs und Tiefs und Phasen, in denen wir uns vielleicht etwas mehr für Frauen als für die Zauberei interessiert haben, aber unsere Liebe zu dieser Kunst hat uns immer sicher durchs Leben gebracht. Und auch wenn’s etwas platt klingt - wir leben heute diesen Traum. Wir sind mit 30 Mann, zwei Nightlinern, einem eigenen Koch und drei Sattelschleppern voll Equipment unterwegs in Deutschland.

X: Gab es also auch nie einen Plan B, eine „vernünftige“ Ausbildung um die Eltern zu beruhigen?

CE: Klar, die Eltern hätten das schon gerne gesehen mit dem Studium usw., aber Andreas hat zumindest angefangen, Mathematik und Sport zu studieren. Als ich dann aber fertig war mit dem Pflichtprogramm aus Abi und Zivildienst konnte ich ihn von der Gleichung 1+1=3 überzeugen. Er hat das Studium also abgebrochen und wir haben losgelegt. Erst mit einem ganz kleinen Programm und einer kleinen Tour durch Deutschland und über die Jahre hat sich das dann stetig weiterentwickelt und ist immer größer geworden.

X: Mathematik und Sport sind dann aber auch schon die Kerngebiete Eurer Kunst. Exaktes geistiges und bestimmt auch körperliches Arbeiten sind wohl das A und O, um das alles so leicht und spielerisch aussehen zu lassen. Oder?

CE: Ja, das ist in vielerlei Hinsicht anspruchsvoll und das gefällt uns auch so an dieser Kunst. Wir beanspruchen für uns, dass wir die Magie zum Teil neu definiert haben. Bei uns gibt’s kein Glitzersakko, keine Box aus der eine Assistentin raushüpft oder die zerteilt wird. Wir treten grundsätzlich mit hochgekrempelten oder ohne Ärmel auf und es gibt weder Frack noch Zylinder oder Hase! Es muss auf der Bühne leicht und locker daher kommen, damit wir unser Ziel, nämlich die Leute zu verzaubern, erreichen können.

X: Ihr verbiegt in Eurer Show zu Rammstein-Songs Eisenbahnschienen. Wäre das zu Musik von meinetwegen Xavier Naidoo denn auch möglich?

CE: Wir haben viel Musik, die wir selbst auch cool finden in unserer Show. Xavier Naidoo mag ich sehr, den haben wir aktuell aber nicht dabei. Schöne Musik ist ein Leitfaden durch unsere Show. Obwohl, wir haben aktuell auch Heino dabei… (lacht).

X: Rammstein sind neben den Scorpions und Nena eine der wenigen deutschen Acts, die es in den USA auch auf breiter Ebene geschafft haben. Sind die USA ein Ziel für Euch?

CE: (überlegt) Also wir haben zurzeit zwei Optionen aus den USA, konkret aus Las Vegas. Wir müssen nach der Tour mal schauen, was so geht. Wir könnten nach Las Vegas gehen, wir könnten die nächste Deutschland- bzw. Europatour in Angriff nehmen. Aber das werden wir erst in den nächsten Monaten entscheiden, wo es mittel- und langfristig überhaupt hingeht. Das muss sich alles mit unseren Vorstellungen vereinbaren lassen, sowohl den künstlerischen, als auch den privaten - Andreas hat ja auch eine Familie und mittlerweile drei Kinder. Man nennt uns in der Szene auch schon die Kelly-Family unter den Magiern! Und gerade Las Vegas ist in vielen Fällen noch sehr klassisch und klischeebehaftet, da passen wir mit unserem Konzept gar nicht so rein.

X: Autos, Traktoren, Motorräder - Ihr lasst so einiges an PS bei Euren Shows auftauchen und wieder verschwinden. Ist das auch etwas, womit Ihr Euch privat beschäftigt? Vielleicht auch als Ausgleich? Seid Ihr gerne PS-stark unterwegs?

CE: Also in die Harley haben wir uns schon verliebt! (lacht) Aber ansonsten müssen wir privat keinen Porsche fahren, um glücklich zu sein. Wir finden unser Glück wirklich darin, auf der Bühne zu stehen, Leute zu verzaubern und unsere eigenen Illusionen zu entwickeln. Privat kann man bei uns kaum vom Beruf unterscheiden. Wir leben für diese Kunst. Selbst beim Zähneputzen vor dem Zubettgehen denken wir noch darüber nach, wie wir die Show verbessern können. Unser Hobby ist also gleichzeitig unser Beruf, und wenn wir einen Wunsch frei hätten, dann wäre das, dass wir die Freude an diesem Hobby nie verlieren!

X: Die Sendungen, die seit ein paar Jahren im Fernsehen zu sehen sind, haben den ein oder anderen bekannten Trick wohl ganz gut erklärt. Haben diese Shows Euch geärgert?

CE: Naja, wir sind seither mit keinem Trick in diesen Shows aufgetaucht, das ist also mal gut für uns. Der „maskierte Magier“ lässt uns also relativ kalt.

X: Solche Shows erzeugen ja auch mehr Aufmerksamkeit für den Berufsstand…

CE: Klar, man kann das so und so sehen. Was man auf jeden Fall negativ ankreiden muss, ist aus Magiersicht, dass unsere Zunft da schon leicht negativ dargestellt wird und es einen lästernden Charakter hat. Da wird eben eher über die „billigen Tricks“ der Zauberer gesprochen.

X: Wo liegen denn die Unterschiede zwischen einem Zauberer, einem Magier und einem Illusionisten?

CE: Wir sind eigentlich sehr froh, dass wir im Laufe der Zeit zu einer eigenen Marke geworden sind. Das ist ein bisschen wie David Garrett, der ja auch mehrere Szenen und Publikumsschichten verbindet. Bei uns sehen die Leute eben auch etwas Ganzheitliches. Das ist nicht auf einen Trick reduziert, das ist mehr als die Harley, die aus dem iPad rausfährt, der Baum der auf der Bühne wächst oder der Schnee, der aus unseren Händen emporfliegt. Wir werden immer wieder als Illusionisten bezeichnet, das ist auch ok so, aber das ist ein sehr, sehr eigener Stil, den ein Begriff wie Zauberer, Magier oder Illusionist eben nur sehr bedingt trifft. Ist Robbie Williams ein Sänger? Ja, schon, aber eben auch ein superguter Entertainer! Die Zuschauer sind auch immer wieder überrascht, wie viel sie in unserer Show gelacht haben! Aber hey, Du musst ja was schreiben, also Illusionisten geht klar! (lacht)


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