Die magische Tomate: Joe Cocker

John Robert „Joe“ Cocker wurde am 20. Mai 1944 in Sheffield, England, geboren. Der gelernte Gasinstallateur stand bereits als Teenager auf der Bühne und schaffte es nach vielen Stationen in diversen Bands 1968 erstmals in die englischen Singlecharts. Er entschied sich gegen sein Installateur-Dasein und für eine Musikerkarriere. Der große Durchbruch gelang dann mit einer Coverversion der Beatles: „With A Little Help Of My Friends“, die er dann auch beim legendären Woodstock-Festival in den USA zum Besten gab. Schon früh wurde neben seiner einzigartigen Stimme auch seine exzentrische Gestik zwischen Stromstoß und Hexenschuss zu seinem Markenzeichen - das ist also nicht wie z.B. bei Ozzy Osbourne eine Folge seiner wilden Jahre. Obwohl er durchaus auch mit eigenen Songs Erfolge feiern konnte, ist er besonders für seine Coverversionen bekannt geworden. 1987 heiratete er die US-Amerikanerin Pam Baker und lebt mit ihr abseits des Jetsets zurückgezogen in den Bergen von Colorado. Mit seinem aktuellen Album „Fire It Up“ ist er gerade wieder in Europa auf Tour und gastiert u.a. auch beim Zeltfestival in Winterbach.

XAVER: Hallo Herr Cocker. Schön, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview nehmen. Sie waren in den letzten Wochen ja ausgiebig in Europa unterwegs. Wie sind die Auftritte gelaufen und waren vielleicht sogar einige dabei, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind?

Joe Cocker: Wir hatten tatsächlich eine sehr gute Zeit auf der „Fire it Up“-Hallentour. Es war zwar lang und anstrengend, aber die Fans haben uns getragen und zu Höchstleistungen herausgefordert. In Köln haben wir für eine Live-CD & DVD mitgeschnitten und gefilmt und das war dann schon eine sehr aufregende Show vor vollem Haus. Den Fans haben wir dann 12.000 Taschenlampen ausgeteilt, die dann alle bei „Up Where We Belong” angeschaltet wurden - das war sehr beeindruckend!

X: Sie haben während der Tour in Wien Ihren Geburtstag gefeiert. Warum waren denn Tomaten auf Ihrer Geburtstagstorte?

JC: Was mancher nicht weiß: Tomatenzucht ist mein Hobby, ja meine Leidenschaft. Anfang des Jahres war ein Filmteam bei mir auf der Ranch und hat für eine Tomaten-Dokumentation gedreht, und die Produzenten sind aus Wien. Die haben sich kurzfristig entschlossen, einen Teil unserer Wien-Show und auch etwas hinter der Bühne zu filmen - und das war eben zufällig an meinem Geburtstag. Deswegen also die Tomatentorte. Das war mal eine Überraschung und ziemlich einzigartig!

X: Nach einigen Wochen auf Tour haben Sie jetzt gerade ein paar Wochen Pause. Fällt Ihnen das leicht, vom umtriebigen Leben auf Tour auf den unspektakulären Alltag daheim umzuschalten?

JC: Ich freue mich auf jeden Fall sehr aufs Runterkommen auf unserer Ranch in den Bergen von Colorado, die Stille, ausgedehnte Spaziergänge mit den Hunden bei herrlicher Bergluft und natürlich freue ich mich auf meine Frau Pam. Das ist irgendwie das komplette Gegenteil zum Leben auf Tour und ich denke, man braucht auch genau dieses Kontrastprogramm in heimischer Umgebung, um dann später wieder mit neuer Energie eine lange Tour zu stemmen.
X: Dann gewähren Sie uns doch bitte mal einen Blick in Ihren Alltag. Wie sieht ein durchschnittlicher Tag auf Ihrer Ranch aus?

JC: Für gewöhnlich stehe ich früh auf, frühstücke und schnappe mir die Hunde für einen langen Spaziergang. Das dauert manchmal schon zwei, drei Stunden. Bei der Rückkehr gibt’s ein kleines Mittagessen, bevor ich mich im Gewächshaus meinen Tomaten widme. Gegen Abend esse ich dann mit Pam und wenn sich die Gelegenheit bietet, spiele ich eine Runde Snooker mit den Jungs.

X: Die erste Show nach der momentanen Pause wird am 20. Juli dann das berühmte Montreux Jazz Festival sein. Da spielen Sie ja nun nicht zum ersten Mal. Ist es trotzdem noch immer etwas Besonderes dort aufzutreten?

JC: Es ist mir immer eine ganz besondere Freude beim Festival in Montreux aufzutreten. Und dieses Jahr ist es durch den kürzlich verstorbenen Claude Nobs besonders herausragend. Er war nicht nur einer der Mitbegründer, sondern auch langjähriger Leiter und das Herz des Festivals. Ich freue mich also mal wieder ganz besonders auf Montreux.

X: Bei Ihren vor kurzem absolvierten Deutschlandkonzerten trat Johannes Oerding im Vorprogramm auf. Hatten Sie Gelegenheit ihn zu sehen? Und suchen Sie selbst Ihre Vorgruppen aus oder erledigt das Ihr Management?

JC: An der Auswahl der Vorgruppen hat jeder so seinen Anteil, aber Johannes hat uns allesamt sehr beeindruckt - was für eine Stimme! Der nimmt das sehr ernst und wird seinen Weg gehen!

X: Meist legen Sie auf Tour nach zwei Konzerten an aufeinanderfolgenden Tagen einen Tag Pause ein. Ich nehme an, Sie fliegen an diesem Tag nicht nach Hause zu Frau und Ranch. Wie verbringen Sie also diesen Tag?

JC: Oh, das ist recht unspektakulär. Ich schlafe viel, schone meine Stimme und gehe, wenn möglich, in ein indisches Restaurant zum Essen.

X: Nach mehr als zwanzig Studioalben und zahllosen Hits in den Charts stelle ich es mir sehr schwierig vor, die Setlist für ein Konzert zusammenzustellen. Nach welchen Kriterien suchen Sie die Songs Abend für Abend aus? Oder spielen Sie auf einer Tour jeden Abend die gleichen Songs?

JC: Ach, so schwer ist das gar nicht! Die Basis sind die von Ihnen angesprochenen Hits und dann packen wir noch vier, fünf Songs des gerade aktuellen Albums dazu. Machen wir uns nichts vor, das ist genau das, was die Fans hören wollen und ich singe die Hits gerne! Und ja, wenn wir uns erst mal auf eine Setlist geeinigt haben, spielen wir auf einer Tour allabendlich die gleichen Songs, da wird nur selten etwas geändert. Aber: Ich habe gerade so eine fantastische Band beisammen, wir spielen die Songs jeden Abend etwas anders, variieren viel! So wird es nie langweilig.

X: Ihr 22. Album „Fire It Up” wurde im November 2012 in Europa veröffentlicht. Das Album stieg in Deutschland, Österreich und der Schweiz bis in die TopTen der Albumcharts. Besteht da eine besondere Bindung zwischen Ihnen und Ihrem deutschsprachigen Publikum?

JC: Ach, ich hatte schon immer eine sehr gute Beziehung zu den Deutschen. Und das hat schon zu Zeiten angefangen, als die Berliner Mauer noch stand! Ich trete ja schon seit den 70ern in Deutschland auf. Ich kann es zwar nicht benennen, aber da ist eine besondere, fast schon magische Verbindung.

X: Sie sind sowohl für Ihr besonders gutes Händchen für Coverversionen als auch für Ihre Reibeisenstimme bekannt. Wie finden Sie die Songs, die Sie sich dann vornehmen und gab es je juristische Probleme, dass die Urheber eines Songs eine Freigabe verweigerten?

JC: Ich hab da auch keine Erklärung oder gar ein Patentrezept. Über viele Jahre hatten wir einfach viel Erfolg mit Coverversionen. Das mag damit zu tun haben, dass ich selbst nicht viele Songs schreibe und so irgendwie immer auf der Suche nach „fremdem“ Songmaterial bin. Ich hatte aber noch nie Probleme mit Songwritern, die nicht wollten, dass ich mich mit ihren Songs befasse.

X: Ihr letztes Album kam zeitversetzt erst in Europa und dann später auch in den USA in die Läden. Wird „Fire It Up” also noch 2013 in den Vereinigten Staaten veröffentlicht?

JC: Stimmt, die staffeln die Veröffentlichungstermine gerne, ich hab immer noch nicht so recht verstanden, warum sie das tun. Plattenfirmen-Zeugs vermute ich mal, aber im Moment gibt es noch keinen fixen Termin für eine US-Veröffentlichung.

X: Die Produktion bzw. Inszenierung Ihrer aktuellen Tour ist sehr puristisch angelegt. Es sieht alles sehr aufgeräumt aus auf der Bühne. Dazu kommen die Akzente der großen Lampen in Backline-Nähe und die riesige Leinwand im Bühnenhintergrund auf der man so herrlich mit Licht und projizierten Ornamenten verschiedenste Stimmungen erzeugen kann. Investieren Sie da selbst viel Zeit in die Konzeption oder lassen Sie sich von Profis helfen?

JC: Das überlasse ich größtenteils dem Management. Die kommen mit Vorschlägen auf mich zu, die ich dann entweder gut finde oder ablehne. Mit gefällt das Einfache der Produktion sehr gut, schließlich geht’s hier um die Musik!

X: Mit zwölf standen Sie erstmals vor Publikum auf einer Bühne. Gab’s denn vielleicht auch mal Momente in Ihrer Karriere, in denen Sie sich eine „normale“ Karriere gewünscht hätten?

JC: Nein, nie.
X: Und was würden Sie dann einem jungen Künstler empfehlen, der von einer großen Karriere träumt? Was ist das Wichtigste für eine Karriere im Showbusiness?

JC: Erlerne Dein Handwerk von der Pike auf und renne keinen Trends hinterher. Geh raus auf die Bühnen, fang klein an in Kneipen, glaub an Dich selbst und bleib dran. Viel zu vielen geht es nicht um die Musik, die wollen nur das schnelle Geld machen.

X: Nachdem Sie im Februar die Goldene Kamera für Ihr Lebenswerk erhalten haben, spielten Sie nach Ihrer aktuellen Single „I Come In Peace” auch noch einen Ihrer größten Erfolge „Up Where We Belong” zusammen mit Jennifer Warnes. Auch das war wohl eine ganz besondere Nacht, auch, weil im Publikum Filmgrößen wie Sigourney Weaver, Al Pacino und Clive Owen saßen. Sind Sie denn selbst Kino-Fan?

JC: Klar schau ich mir gerne einen guten Film an, ich würde mich aber nicht als Kinofan oder gar Cineast bezeichnen. Aber ich habe eine Schwäche für alte Cowboy-Filme!
X: Dann haben Sie also auch keinen Lieblingsfilm, den Sie immer wieder gerne anschauen?

JC: Nein, nicht wirklich.

X: In den 70ern hatten Sie Ihre „wilde Phase” und wohl auch massive Probleme mit Alkohol und anderen Drogen. Sie waren aber stets ein „Stehauf-Männchen“, rappelten sich wieder auf und schafften es dann sogar vom Alkohol loszukommen. Woher kam die Kraft sich von der Sucht loszusagen?

JC: Das lässt sich auf ein Wort reduzieren: den Namen meiner Frau - Pam.
X: Bei der Recherche habe ich gelesen, dass Sie sich z.B. überhaupt nicht mehr daran erinnern können, was Sie 1977 gemacht haben - stimmt das denn?

JC: Das ist traurig, aber wahr.
X: Soweit ich weiß, rauchen Sie ja nicht mal mehr. Hatten Sie denn je die Sorge ihre charakteristische „Reibeisenstimme“ zu riskieren, wenn Sie jetzt einen allzu gesunden Lebenswandel an den Tag legen?

JC: Ach, ich hab in meinen jungen Jahren genug Schaden angerichtet, heute habe ich meine Lektion gelernt und weiß, wie ich meine Stimme bei Laune halte.

X: Herr Cocker, vielen Dank für das Interview und die interessanten Einsichten. Alles Gute für Sie, Ihre Familie und Band; passen Sie auf sich auf und haben Sie weiterhin viel Spaß mit der Musik!

JC: Ich danke Ihnen! Und ich freue mich schon auf die ausverkaufte Show in Winterbach!


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