Twerken in der Zeitmaschine: Dido

Satte sechs Jahre Funkstille liegen hinter Dido. Für die Pause gab es einen sehr guten Grund – er ist heute sieben Jahre alt und heißt Stanley Gavin. Mit „Still on My Mind“ präsentierte die britische Sängerin vor Kurzem ihr gerade mal fünftes Album in zwanzig Jahren und das klingt, als wäre sie nie weg gewesen. Es besteht also kein Zweifel, dass sie mit diesem Album an ihre Erfolgsgeschichte anknüpfen wird. Und sie hat ja schon richtig Großes erreicht: Über 40 Millionen verkaufte Platten und ihre Megahits wie „Thank You“ oder „White Flag“ haben beide über 100 Millionen Plays bei YouTube. Am Telefon begrüßt mich aber eine völlig bodenständige, unaffektierte und gut gelaunte Mittvierzigerin zum angenehmen Pläuschchen.

XAVER: Hallo Dido, schön dass das mit dem Interview klappt. Wo bist du denn gerade?

Dido: Hallo Tom, ich sitze hier in einem Radiostudio in London.
X: Du hast ja eine ziemlich lange Pause vom Business eingelegt und ich vermute mal, dass du die Promotion eines neuen Albums nicht so wirklich vermisst hast, oder?

D: (lacht) Nein, DAS hat mir nicht gefehlt. In den Charts der Sachen, die ich vermisst habe, landet Promo eher auf den hinteren Rängen!

X: Worüber ich erst bei der Recherche gestolpert bin, ist dein wirklich extrem langer Name, mit dem dich Deine Eltern „gesegnet“ haben: Dido Florian Cloud de Bounevialle O’Malley Armstrong. Das führt wohl auch regelmäßig zu Verwirrung …

D: Na ja, mit so einem deutschen Männer-Vornamen erwarten die im Hotel immer wieder mal einen Mann und sind dann überrascht.
X: Deinen eigenen Sohn hast du ganz bescheiden Stanley Gavin genannt. Er wird es also später beim Einchecken nicht gar so schwer haben …

D: … genau!
X: Und war es schwer für dich, den Namen mit deinem Mann auszuwählen?

D: Nein, gar nicht. Schon als ich noch ein Teenager war, war das mein Favorit und mein Mann fand den Namen auch direkt gut.
X: Das habe ich jetzt aber echt noch nicht oft gehört, dass jemand schon im Kindesalter weiß, wie er sein Kind später nennt!

D: Bei uns war das oft Thema.
X: Dann hat sein Name gar nichts mit „Stan“ zu tun, den Song, den Eminem mit einem Sample von dir aufgenommen hat?

D: Ach, das werde ich natürlich oft gefragt und mich wundert, dass das scheinbar so viele Leute tatsächlich für möglich halten – das ist ja schon ein bisschen naiv. Aber nein, das ist nur ein Zufall – aber natürlich ein schöner!
X: Und hat sich aus dieser Kooperation denn eine Freundschaft entwickelt? Habt ihr noch Kontakt?

D: Na ja, Freundschaft wäre übertrieben. Vor ein paar Jahren, es war 2013, hat er mich mal wieder angerufen und gefragt, ob ich als Gast bei seinem Auftritt auf dem Reading-Festival dabei sein würde. Das war schon etwas Besonderes, den Song nach zehn Jahren vor dieser Megakulisse zu singen. Das Publikum ist völlig durchgedreht.

X: Zurück zu deinem Sohn: Ich vermute mal, er war der Grund für die lange Pause zwischen deinem letzten Album „Girl Who Got Away“ und dem neuen Album „Still on My Mind“?

D: Ganz genau, er war der Hauptgrund. Und ich habe die Entscheidung in den vergangenen Jahren auch nie bereut. Es war einfach das, was ich am liebsten machen wollte: voll für meine Familie da zu sein.
X: Ich vermute mal, dass die Musik in der Zeit nicht aus deinem Leben verschwunden ist; das Thema wird privat auch eine Rolle spielen – hat dein Sohn schon Lieblingsbands?

D: Er liebt Musik und hört ganz viel Radio. Wir waren auch schon zusammen bei Konzerten, zuletzt bei Anne-Marie. Das tolle an Kindern ist ja, dass sie noch nicht so in Genres und Schubladen denken; da ist vieles noch instinktgesteuert und sie mögen etwas oder eben nicht, ganz egal was es ist und wo es herkommt. Mein Sohn mag also ganz verschiedene Sachen und hat einen sehr breiten Musikgeschmack. Er mag zum Beispiel Chic und Prince. Ich spiele ihm immer viele verschiedene Sachen vor und bin gespannt, wie er reagiert. Er ist auch total ehrlich in Bezug auf meine Musik, was ich auch immer etwas gruslig finde.
X: Du hast eben erwähnt, dass ihr schon zusammen auf Konzerten wart. Aber er hat dich noch nicht auf der Bühne erlebt, oder?

D: Nein, hat er nicht.
X: Aber wirst du Ihn bei der anstehenden Tour mitnehmen?

D: Nein, nur bei ein paar Shows, wo sich das komfortabel arrangieren lässt – er geht ja auch zur Schule.

X: Das neue Album ist ja auch im engsten Familienkreis entstanden. Viele der Songs sind mit deinem Bruder Rollo (bekannt von der Band Faithless, Anmerk. d. Red.) und einem Freund entstanden. Irgendwo habe ich sogar gelesen, dass auch deine Mutter beteiligt war.

D: Mein Mum? (lacht schallend) Nein, bestimmt nicht – wo hast du das denn her?
X: Weiß ich gar nicht mehr, aber ich habe mir beim Lesen direkt gedacht, dass das ja mal richtig ungewöhnlich ist!

D: Aber es stimmt schon, es war eine sehr familiäre Umgebung. Und es war auf jeden Fall die kleineste Album-Produktionsgruppe, die ich je hatte. Mein Bruder, mein Kumpel Ryan und ich – mehr Leute waren eigentlich nicht dabei. Obwohl, Sister Bliss von Faithless hat ein paar Keyboards eingespielt. Und alles ohne Druck, ohne Abgabetermin und Plattenfirma.
X: Und wann hast du angefangen, die Songs zu schreiben?

D: Ach, tatsächlich habe ich nie damit aufgehört, Songs zu schreiben!
X: Ach, dann hast du eine Art „Schublade“, wo du deine Ideen hortest?

D: Ja, fast wortwörtlich sogar. Ich notiere gerne Sachen auf Zetteln, verliere oder verlege die dann aber auch gerne mal – sehr nervig!

X: Ein Song auf dem neuen Album ist „You Don’t Need a God“ – da stellt sich natürlich die Frage nach Religion & Co. – glaubst du an Gott?

D: Ja, das tu ich.
X: Den christlichen Gott?

D: Das kann ich dir nicht so genau sagen (lacht). Ich glaube an Gott eher so in Richtung einer übergeordneten Macht.

X: Zu „Give You Up“ hast du auch einen tollen Clip gemacht, den ich mir bei YouTube angeschaut habe. Da stehen auch viele Kommentare drunter – liest du denn Kommentare bei YouTube oder Facebook?

D: Doch, das mache ich manchmal und ich finde gut, dass es das heute so gibt. Als ich damals angefangen habe, war die einzige Möglichkeit direkter Resonanz bei Konzerten oder wenn man zufällig mal jemanden auf der Straße getroffen hat. Ich finde es also schon toll, dass die Leute heute einen so direkten Weg haben, um solche Geschichten loszuwerden.
X: Ich war nur positiv überrascht, dass die Mehrheit der Kommentare sehr nett, bewundernd und respektvoll war. Da liest man ja sonst ganz schön viel Hässliches in den Kommentarspalten. Einen Kommentar fand ich besonders gut: „Sie hat nicht ein einziges Mal getwerkt, sie hat nichts abgeleckt, sie hat noch nie ihre Nippel gezeigt – und sieht immer noch heißer aus, als die heutigen Popsternchen!“

D: (lacht) Das ist ja richtig cool – den habe ich offensichtlich noch nicht gelesen, sehr cool! Und ich werde wohl auch in Zukunft nicht anfangen zu twerken – was viel damit zu tun hat, dass ich einfach nicht weiß, wie es geht! Aber ich habe wohl echt die besten Fans der Welt: Wann immer ich jemand treffe, sind das immer sehr höfliche und nette Leute!
X: Aber mal im Ernst: Denkst du viel darüber nach, wie du dich präsentierst und was du machst oder eben nicht machst?

D: Ach nein, ich investiere da nicht zu viel Gedanken in die Richtung; ich bin größtenteils einfach ich selbst.
X: Viele andere Künstler müssen aber schon auch machen, was ihnen ihr Management sagt. Hattest du da immer die volle Kontrolle und das letzte Wort?

D: Doch, schon. Aber das mag auch damit zu tun haben, dass ich schon etwas älter war, als ich losgelegt habe. Ich wusste schon ziemlich genau, wer ich bin und wo ich hinwill. Wenn ich jünger gewesen wäre und noch nicht so gefestigt, hätte ich mich vielleicht beeinflussen lassen. Meine Musik war schon immer sehr natürlich und unverstellt, das bin einfach ich, da ist nichts gespielt, ich schlüpfe in keine Rolle.
X: Wenn du also zurückschaust auf deine Karriere, dann würdest du nichts ändern wollen?

D: (überlegt) Nein.
X: Hey, das ist schön zu hören!

D: Ja, nicht? Und ich weiß, dass das ein richtiges Glück ist, das so sagen zu können!

X: Die Pause zwischen den Alben war ja schon sehr lang, aber noch viel länger – 15 Jahre! – warst du nicht mehr auf Tour. Warum warst du so lange nicht mehr unterwegs? Du stehst doch gerne auf der Bühne, oder?

D: Absolut, ich stehe total gern auf der Bühne und das ist in der Länge nie so geplant gewesen. Ursprünglich wollte ich nur eine Pause machen und Zeit mit meinem Dad verbringen, ich wollte also hier daheim sein und nicht auf Reisen. Und dann war das dritte Album auch irgendwie das hakligste Album in der Produktion, einfach weil ich zum ersten Mal darüber nachgedacht habe, was ich tue. Einerseits wollte ich ein bisschen was verändern und etwas ausprobieren und andererseits wollte ich nicht schon wieder auf Tour gehen. Dann ist mein Dad gestorben und das war eine schwierige Zeit. Dann war ich dann schwanger und bin voll in der Familienrolle aufgegangen und schwups – waren 15 Jahre vorbei! (lacht) Das war echt nicht so beabsichtigt und was kann ich dafür, dass die Zeit so rast?!

X: Ab und zu schreibst du dann auch Songs für Britney Spears oder Rihanna …

D: Ja, und das mag ich auch total gern. Das ist auch nicht so schwierig, wie für sich selbst ein ganzes neues Album zu schreiben. Ich finde es also cool, wenn ab und an mal eine Anfrage reinkommt, am liebsten, wenn die Stimme ganz anders als meine ist. Ich schreibe nämlich immer wieder Songs, bei denen ich mir dann denke, dass ich vielleicht gar nicht die beste Person bin, um sie einzusingen.
X: Da gibt es also noch eine weitere Schublade?

D: Genau, die „Große Stimme“-Schublade! (lacht)

X: In einem Post auf deinem Facebook-Profil habe ich gelesen, dass du kürzlich noch mal in der Wohnung warst, in der du in den 90ern „No Angel“ und auch Teile von „Life for Rent“ geschrieben hast. So was stelle ich mir ja interessant vor.

D: Ja, das war es auch. Das war eine Idee für eine Fernsehshow und das sollte jeder Mal machen, wenn es die Möglichkeit gibt, sich seine Wohnung von vor 25 Jahren noch mal anzuschauen. Das war eine sehr wichtige Zeit für mich, in der die Weichen für meinen Erfolg und mein heutiges Leben gestellt wurden. Das war schon auch irgendwie verrückt: Wir haben einfach geklingelt und wie sich herausstellte, ist das Pärchen, das da heute wohnt, sogar Fan von mir und total nett. Wir hatten viel Spaß zusammen mit der Filmcrew.
X: Und das Pärchen wusste nicht, dass du da früher mal gewohnt hast?

D: Nein, bis wir da vor der Tür standen, hatten die keine Ahnung! Und es war dann wohl auch noch so, dass die Besitzerin kurz vorher auf der Straße jemand „Thank You“ gesungen hat und sie sich noch gefragt hat, was denn eigentlich aus Dido geworden ist – und später stand ich dann vor ihrer Tür!
X: Tolle Geschichte! Zum Abschluss die Frage: Wenn es eine Zeitmaschine gäbe und du es dir aussuchen könntest, wo würdest du hinreisen?

D: Ach, ich glaube, ich würde Stanley zurück in die 80er mitnehmen. Da hat irgendwie alles an mir Sinn gemacht – sogar meine Haare! (lacht)


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