Twerken in der Zeitmaschine: Dido
Satte sechs Jahre Funkstille liegen hinter Dido. Für die Pause gab es einen sehr guten Grund – er ist heute sieben Jahre alt und heißt Stanley Gavin. Mit „Still on My Mind“ präsentierte die britische Sängerin vor Kurzem ihr gerade mal fünftes Album in zwanzig Jahren und das klingt, als wäre sie nie weg gewesen. Es besteht also kein Zweifel, dass sie mit diesem Album an ihre Erfolgsgeschichte anknüpfen wird. Und sie hat ja schon richtig Großes erreicht: Über 40 Millionen verkaufte Platten und ihre Megahits wie „Thank You“ oder „White Flag“ haben beide über 100 Millionen Plays bei YouTube. Am Telefon begrüßt mich aber eine völlig bodenständige, unaffektierte und gut gelaunte Mittvierzigerin zum angenehmen Pläuschchen.
Dido: Hallo Tom, ich sitze hier in einem Radiostudio in London.
D: (lacht) Nein, DAS hat mir nicht gefehlt. In den Charts der Sachen, die ich vermisst habe, landet Promo eher auf den hinteren Rängen!
D: Na ja, mit so einem deutschen Männer-Vornamen erwarten die im Hotel immer wieder mal einen Mann und sind dann überrascht.
D: … genau!
D: Nein, gar nicht. Schon als ich noch ein Teenager war, war das mein Favorit und mein Mann fand den Namen auch direkt gut.
D: Bei uns war das oft Thema.
D: Ach, das werde ich natürlich oft gefragt und mich wundert, dass das scheinbar so viele Leute tatsächlich für möglich halten – das ist ja schon ein bisschen naiv. Aber nein, das ist nur ein Zufall – aber natürlich ein schöner!
D: Na ja, Freundschaft wäre übertrieben. Vor ein paar Jahren, es war 2013, hat er mich mal wieder angerufen und gefragt, ob ich als Gast bei seinem Auftritt auf dem Reading-Festival dabei sein würde. Das war schon etwas Besonderes, den Song nach zehn Jahren vor dieser Megakulisse zu singen. Das Publikum ist völlig durchgedreht.
D: Ganz genau, er war der Hauptgrund. Und ich habe die Entscheidung in den vergangenen Jahren auch nie bereut. Es war einfach das, was ich am liebsten machen wollte: voll für meine Familie da zu sein.
D: Er liebt Musik und hört ganz viel Radio. Wir waren auch schon zusammen bei Konzerten, zuletzt bei Anne-Marie. Das tolle an Kindern ist ja, dass sie noch nicht so in Genres und Schubladen denken; da ist vieles noch instinktgesteuert und sie mögen etwas oder eben nicht, ganz egal was es ist und wo es herkommt. Mein Sohn mag also ganz verschiedene Sachen und hat einen sehr breiten Musikgeschmack. Er mag zum Beispiel Chic und Prince. Ich spiele ihm immer viele verschiedene Sachen vor und bin gespannt, wie er reagiert. Er ist auch total ehrlich in Bezug auf meine Musik, was ich auch immer etwas gruslig finde.
D: Nein, hat er nicht.
D: Nein, nur bei ein paar Shows, wo sich das komfortabel arrangieren lässt – er geht ja auch zur Schule.
D: Mein Mum? (lacht schallend) Nein, bestimmt nicht – wo hast du das denn her?
D: Aber es stimmt schon, es war eine sehr familiäre Umgebung. Und es war auf jeden Fall die kleineste Album-Produktionsgruppe, die ich je hatte. Mein Bruder, mein Kumpel Ryan und ich – mehr Leute waren eigentlich nicht dabei. Obwohl, Sister Bliss von Faithless hat ein paar Keyboards eingespielt. Und alles ohne Druck, ohne Abgabetermin und Plattenfirma.
D: Ach, tatsächlich habe ich nie damit aufgehört, Songs zu schreiben!
D: Ja, fast wortwörtlich sogar. Ich notiere gerne Sachen auf Zetteln, verliere oder verlege die dann aber auch gerne mal – sehr nervig!
D: Ja, das tu ich.
D: Das kann ich dir nicht so genau sagen (lacht). Ich glaube an Gott eher so in Richtung einer übergeordneten Macht.
D: Doch, das mache ich manchmal und ich finde gut, dass es das heute so gibt. Als ich damals angefangen habe, war die einzige Möglichkeit direkter Resonanz bei Konzerten oder wenn man zufällig mal jemanden auf der Straße getroffen hat. Ich finde es also schon toll, dass die Leute heute einen so direkten Weg haben, um solche Geschichten loszuwerden.
D: (lacht) Das ist ja richtig cool – den habe ich offensichtlich noch nicht gelesen, sehr cool! Und ich werde wohl auch in Zukunft nicht anfangen zu twerken – was viel damit zu tun hat, dass ich einfach nicht weiß, wie es geht! Aber ich habe wohl echt die besten Fans der Welt: Wann immer ich jemand treffe, sind das immer sehr höfliche und nette Leute!
D: Ach nein, ich investiere da nicht zu viel Gedanken in die Richtung; ich bin größtenteils einfach ich selbst.
D: Doch, schon. Aber das mag auch damit zu tun haben, dass ich schon etwas älter war, als ich losgelegt habe. Ich wusste schon ziemlich genau, wer ich bin und wo ich hinwill. Wenn ich jünger gewesen wäre und noch nicht so gefestigt, hätte ich mich vielleicht beeinflussen lassen. Meine Musik war schon immer sehr natürlich und unverstellt, das bin einfach ich, da ist nichts gespielt, ich schlüpfe in keine Rolle.
D: (überlegt) Nein.
D: Ja, nicht? Und ich weiß, dass das ein richtiges Glück ist, das so sagen zu können!
D: Absolut, ich stehe total gern auf der Bühne und das ist in der Länge nie so geplant gewesen. Ursprünglich wollte ich nur eine Pause machen und Zeit mit meinem Dad verbringen, ich wollte also hier daheim sein und nicht auf Reisen. Und dann war das dritte Album auch irgendwie das hakligste Album in der Produktion, einfach weil ich zum ersten Mal darüber nachgedacht habe, was ich tue. Einerseits wollte ich ein bisschen was verändern und etwas ausprobieren und andererseits wollte ich nicht schon wieder auf Tour gehen. Dann ist mein Dad gestorben und das war eine schwierige Zeit. Dann war ich dann schwanger und bin voll in der Familienrolle aufgegangen und schwups – waren 15 Jahre vorbei! (lacht) Das war echt nicht so beabsichtigt und was kann ich dafür, dass die Zeit so rast?!
D: Ja, und das mag ich auch total gern. Das ist auch nicht so schwierig, wie für sich selbst ein ganzes neues Album zu schreiben. Ich finde es also cool, wenn ab und an mal eine Anfrage reinkommt, am liebsten, wenn die Stimme ganz anders als meine ist. Ich schreibe nämlich immer wieder Songs, bei denen ich mir dann denke, dass ich vielleicht gar nicht die beste Person bin, um sie einzusingen.
D: Genau, die „Große Stimme“-Schublade! (lacht)
D: Ja, das war es auch. Das war eine Idee für eine Fernsehshow und das sollte jeder Mal machen, wenn es die Möglichkeit gibt, sich seine Wohnung von vor 25 Jahren noch mal anzuschauen. Das war eine sehr wichtige Zeit für mich, in der die Weichen für meinen Erfolg und mein heutiges Leben gestellt wurden. Das war schon auch irgendwie verrückt: Wir haben einfach geklingelt und wie sich herausstellte, ist das Pärchen, das da heute wohnt, sogar Fan von mir und total nett. Wir hatten viel Spaß zusammen mit der Filmcrew.
D: Nein, bis wir da vor der Tür standen, hatten die keine Ahnung! Und es war dann wohl auch noch so, dass die Besitzerin kurz vorher auf der Straße jemand „Thank You“ gesungen hat und sie sich noch gefragt hat, was denn eigentlich aus Dido geworden ist – und später stand ich dann vor ihrer Tür!
D: Ach, ich glaube, ich würde Stanley zurück in die 80er mitnehmen. Da hat irgendwie alles an mir Sinn gemacht – sogar meine Haare! (lacht)