Feuer per SMS
Der 1967 in Dresden geborene Martin Brambach gehört zu den bekanntesten Schauspielern im deutschsprachigen Raum. 1984 ging er mit seiner Mutter nach Westdeutschland, das Gymnasium in Hamburg verließ er frühzeitig, um in Bochum die Schauspielschule zu besuchen. Ende der 80er Jahre wechselte er ans Wiener Burgtheater und dann an die Berliner Schaubühne, bevor er neben der Bühne auch im Kino (u.a. in „Comedian Harmonists“, „Good Bye, Lenin!“, „Das Leben der Anderen“, „Der Vorleser“) und in zahlreichen Fernsehfilmen und -serien zu sehen. Seit 2016 ist er im Dresdner Tatort als Kriminalhauptkommissar Peter Michael Schnabel zu sehen. Mit seiner Frau, der Schauspielerin Christine Sommer, ist er im Januar in Heidenheim zu Gast. Zu Osterhasi… ähhh: Nikolausi war dann im alten Jahr sogar noch Gelegenheit für ein entspanntes Gespräch mit dem sympathischen Mimen.
MB: Ja, der Sohn ist jetzt dreizehn und der hat heute auch schon seinen Stiefel gefüllt bekommen!
MB: Diese Veranstaltung haben wir schon relativ lange und sie hat sich auch über die Jahre immer ein bisschen verändert. Ursprünglich hat meine Frau das mal mit einem anderen Kollegen gemacht, der dann mal nicht konnte, sodass ich eingesprungen bin. Ich habe dann aber meine liebsten Briefe mitgebracht und das Programm so ein bisschen angepasst – was wir bis heute so machen; wenn wir einen tollen Brief finden, dann bauen wir das ein.
Manchmal passen wir das auch an die Region an; wir haben das z.B. mal in Österreich gemacht, in Reichenau am Thalhof. Und dort hat früher mal die Olga Waissnix gelebt (österreichische Unternehmerin und Widerstandskämpferin – Anmerk. d. Verf.) und die hatte einen sehr regen und anrührigen Briefwechsel mit Arthur Schnitzler. Seit diesem Besuch haben wir diese Briefe auch mit im Programm.
MB: Das spielte schon eine Rolle, ja. Obwohl – und das muss ich zu meinem Leidwesen gestehen – es damals dann meistens SMSen waren. Ich habe mich sehr engagiert … Gedichtet und Gedichte abgeschrieben … Und das war damals einfach die einfachste Art sich zu erreichen. Ich lebte damals schon in Scheidung und meine Frau war damals noch nicht geschieden. Und da gab es durchaus feurige Liebesbriefe, die ich auf diesem Weg geschrieben habe.
MB: Ja, aber diese heutigen Alternativen sind halt so kurzlebig. Und zum einen verkümmert die Sprache oft auch; das sehe ich z.B., wenn mein Sohn mir etwas schreibt, das ist dann doch oft recht verkürzt. Und zum anderen sind diese Sachen ja auch schnell verloren. Auf die SMSen von damals kann ich heute nicht mehr zugreifen, die Handys von vor 15 Jahren hat man ja heute gar nicht mehr! Briefe hat man sich dann schon eher aufgehoben.
MB: Ja, das geht mir genauso, zu der Generation gehöre ich auch. Und das ist auch nicht unwichtig, Sprache ist ja auch Denken. Das ist auch etwas, das so Räume aufmacht, und es ist schon schade, dass das immer mehr auf der Strecke bleibt.
MB: Ehrlich gesagt lese ich sogar sehr gerne. Wenn ich mich aber gerade in Dreharbeiten befinde, dann kann ich mich nur mit Dingen beschäftigen, auch Dinge lesen, die mit diesem Thema zu tun haben. Ich habe da einfach das Gefühl, dass ich in dem Thema drinbleiben muss.
MB: Ja. Die Rolle, oder die Thematik des Films … da ist man dann so drin und hat vielleicht assoziativ vielleicht nochmal einen Gewinn. Aber wenn ich, wie gerade, frei habe, dann lese ich leidenschaftlich alles Mögliche von Sachbüchern, über Literatur bis hin zu Krimis.
MB: Ich habe eben so einen Håkan Nesser gelesen. Und zwar sind das drei Kurzgeschichten in einem Band und das Buch heißt „Ein Fremder klopft an deine Tür“. Nesser schreibt sehr intelligent, arbeitet viel mit Perspektivwechseln und natürlich haben die einzelnen Geschichten dann doch etwas miteinander zu tun – herrlich!
MB: Natürlich! Heute tatsächlich nicht mehr, das würde er sich verbitten; aber bis er etwa zehn, elf Jahre alt war, habe ich ihm immer mal etwas vorgelesen. Leider lief das irgendwann mal aus, weil er die Sachen eben selber lesen wollte oder weil er die Sachen, die ich vorlesen wollte, langweilig fand.
MB: Aus der längeren Vergangenheit gibt es sicher ein paar Sachen, wo man sich fragte, warum das nicht so viele gesehen haben, aber ich stelle das eher aktuell fest. Denn durch die vielen Kanäle, Streamingportale und sonstigen Möglichkeiten, etwas zu kucken, verlieren sich manche Sachen leider. Ich habe vor kurzem z.B. eine herrliche Serie gemacht, die seit dem 1. November online ist. Die heißt Parlament und ist eine deutsch-französisch-belgische Co-Produktion über das Europaparlament. Sehr böse, sehr bissig, aber auch sehr Europa-zugewandt, und zwar auf eine fast schon anarchistische Weise. Die erste Staffel hat sogar den Grimme-Preis bekommen und wir haben für die aktuelle auch schöne Kritiken bekommen, aber es ist eben eine Nischengeschichte. Der Serie würde ich unbedingt mehr Zuschauer wünschen!
MB: Es ist natürlich schwer pauschal von „die Leute“ zu sprechen, es gibt ja immer und überall solche und solche. Die Leute hier sind einander besonders zugewandt. Ob am Würstchenstand, im Supermarkt oder beim Autowaschen; die Leute kommen hier miteinander ins Gespräch. Sie sind interessiert an ihrem Gegenüber, „Wo kommst Du her?“, „Wat machst Du?“, „Watt hast Du denn da für ein Auto?“; solche Sachen. Und dann gibt es noch etwas, was wohl mit der Bergbautradition zu tun hat; hier gibt es noch eine Art Grundsolidarität unter den Menschen. Ich habe das in Berlin schon anders erlebt, als ich gefragt hab, ob mir drei Leute beim Umzug helfen können, da hatten alle dringenderes zu tun. Im Ruhrgebiet haben die drei dann noch weitere zwei Freunde mitgebracht! Und ich glaube, das kommt daher, dass die Leute eben noch wissen, was es heißt, aufeinander angewiesen zu sein. Was auch noch besonders ist: Es gibt nirgendwo in Deutschland so viel Migration wie im Ruhrgebiet. Fast jeder ist vor einer oder mehreren Generationen von woanders hierhergekommen; ob aus Italien, Polen, Belgien, aus Sachsen, der Türkei oder wie in meinem Fall aus Berlin. Und das ist alles so gewachsen und nicht so, wie ich das in Berlin erlebt habe, so ghettoisierte Bereiche, wo die Menschen eher so aneinander vorbeileben.
MB: Ehrlich gesagt, nein! Das kam ganz anders, mich hat nämlich der Sender arte gefragt, ob ich nicht einen Kurzfilm machen möchte. Und ich wollte eigentlich etwas über eine Zeche machen, aber da kam dann der Lockdown dazwischen, so dass ich arte vorgeschlagen habe, dass ich durchs Ruhrgebiet Fahrrad fahre, ein paar Leute interviewe und die Gegend etwas vorstelle. Das haben wir dann auch gemacht, es wurde relativ erfolgreich ausgestrahlt und dann kam ein Verlag auf mich zu und fragte mich, ob man da nicht ein Buch draus machen könnte.
MB: Ja, aber durchaus mit unterschiedlichem Erfolg (lacht). Die Zucchinis und Tomaten sind ganz gut geworden dieses Jahr, aber andere Sachen sind von den Schnecken gefressen worden oder eingegangen. Ich bin ja nicht darauf angewiesen, das ist so ein bisschen der Luxus. Und ein selbstgeernteter Apfel schmeckt natürlich viel besser als einer, den man im Supermarkt kauft. Und wenn man auf die Zucchinis aufpasst, werden die auch nicht holzig …
MB: Ach, naja. Ich würde mir eine etwas friedvollere Zeit wünschen – und zwar überall auf der Welt. Ich wünsche mir, dass meine Kinder gesund bleiben. Und ich würde mir wünschen, dass ich mit meiner Frau noch möglichst lange zusammen bin und wir glücklich sind.