Es werde Dicht!

Lef Dutti (Fabian Frischmann) und George Urkwell (Michael Huber) sind die MCs von
Dicht & Ergreifend und haben mit ihrer Formation etwas geschaut, das viele für unmöglich gehalten haben: Sie sind mit bairischem Rap im gesamten deutschsprachigen Raum erfolgreich! Und zwar so erfolgreich, dass ihr letztes Album „Ghetto Mi Nix O“ nicht nur in Deutschland (Top30!), sondern auch in Österreich in den Charts gelandet ist. Wir erreichen den gut gelaunten Lef Dutti mitten in der heißen Promo- und Proben-Phase für „Es werde Dicht“, ihr drittes Album, das Mitte Juni endlich erscheint.

XAVER: Fabian, das war gar nicht so einfach mit der Terminfindung für das Telefonat… aber Euch ist im Moment auch wohl eher selten langweilig!?

Fabian Fischmann: Wir haben mächtig viel um die Ohren… Interviews und diverse Promoanfragen, dann arbeiten wir an diversen Videos und haben auch mit den Proben begonnen.
X: Ihr lebt seit Jahren in Berlin, ist da dann auch die Base der Band oder ist die in Bayern?

FF: Ich und der Mike, die beiden Rapper und der Kern der Band, wir leben in Berlin, unser DJ Spliff wohnt in Chemnitz und der Rest ist in Bayern verteilt … in München und am Chiemsee.
X: Und die eben von Dir erwähnten Proben finden dann, wo statt?

FF: Die ersten rein musikalischen Proben waren im Dingolfing im Jugendzentrum und dann gings in Freising bei den Leuten weiter, die unsere Bühne bauen.
X: Das ist ja auch eine besondere Geschichte, dass Ihr beide nach Berlin „ausgewandert“ seid und dort dann die gemeinsame Band gegründet habt. War denn dann direkt bei den ersten Shows auch schon Tuba und Trompete mit am Start?

FF: Das war sehr schnell mit dabei, aber ganz am Anfang wars noch nicht so. Die Bläser-Besetzung hat über die Jahre aber immer wieder gewechselt und erst seit 2017 sind wir in der aktuellen Formation unterwegs.
X: Bei Wikipedia sind bei den Bandmitgliedern bei DJ, Tuba und Trompete jeweils zwei Leute gelistet.

FF: Das sind quasi Backups für Fälle, wenn da mal jemand verhindert ist.
X: Als Ihr mit dem Rappen angefangen habt, war das aber nicht direkt auf bairisch, oder?

FF: Nein, wir haben ja getrennt voneinander mit dem Rappen angefangen und bei uns beiden war es zunächst deutsch, also klassischer Deutschrap.
X: Das heißt Deutschrap war auch Teil Deiner Jugend?

FF: Das WAR meine Jugend, auf jeden Fall. Das war sehr prägend für uns alle.
X: Kannst Du ein paar Helden nennen, oder willst Du das lieber nicht machen?

FF: Doch, ich bin da offen. Für mich persönlich war die einflussreichste Band Blumentopf. Aber auch Dynamite Deluxe und Freundeskreis … also so Hamburg-, München und Stuttgart-Rap.
X: Also explizit kein Berlin-Rap!?

FF: Anfangs wirklich explizit nicht. Das war dann später erst, dass man das auch cool gefunden hat. Mir war Berlin lange einfach zu drüber, vielleicht auch zu hart oder so … Aber ich bin dann mit der Zeit auch offener geworden für so Sachen wie z. B. Kool Savas.
X: Ihr seid so um 2008 rum wegen Arbeit & Studium nach Berlin übergesiedelt. Wie ist das da mit der Gegenliebe für Bayern? Schwaben werden ja nicht gar so gerne gesehen …

FF: Ach, grundsätzlich ist man in Berlin schon recht frei. Und das mit „Gegenliebe“ für Schwaben und Bayern … denen wird halt allgemein die Gentrifizierung in die Schuhe geschoben, was zu nem gewissen Teil auch stimmt, aber letztendlich wollen ja alle nach Berlin, egal ob aus Schwaben, Bayern oder Buenos Aires. Klar man hört schon hier und da mal nen Spruch, aber das ist andersrum in Bayern ja genauso, mit den Preißn, wast scho!?
X: Nur die aus Chemnitz …

FF: (lacht) Die wollen NICHT nach Berlin!
X: Auch beim neuen Album waren wieder bairische Wörter dabei, die mir nichts gesagt haben. „Diridari“ musste ich z. B. erst mal googeln, damit ich das verstanden habe … die neue Single „Bauernschach“ versteh ich, [insofern dass ich weiß, dass das ne vereinfachte Schachversion nur mit je acht Bauern ist – aber hat das auch ne Bedeutung abseits des Spiels?

FF: Das hat jetzt gar nichts mit Bayern zu tun. Sondern im Text heißt es ja „Schäferzug und Bauernschach“, und der Schäferzug ist, wenn man jemand mit nur vier Zügen matt setzt. Wenn Du das schaust, jemand mit nem Schäferzug matt zu setzen, dann kennst Du Dich erstens gut aus und Dein Gegenüber hat zweitens null Ahnung vom Schach!
X: Das klingt ja fast so, als ob Ihr auf Tour ab und an mal ne Partie Schach spielt?

FF: Ja, wir sind schon beide ziemliche Schachspieler. Der Mike spielt auch online auf Lichess und sind schon Schachfans, zwar keine großartigen Schachspieler, aber sodass man halt spielen kann.
X: Trotz Dialekt ist Euer Wirkungskreis ja keinesfalls auf Bayern beschränkt, beobachtet Ihr Unterschiede beim Publikum außerhalb Bayerns?

FF: Da gibt es definitiv Unterschiede! Also erstens Mal sind wir in Ober- und Niederbayern sehr bekannt und da kennen viele im Publikum auch die Tracks und es sind mehr Leute anwesend. Wenn wir außerhalb z. B. in Leipzig oder Köln ein eigenes Konzert spielen, dann ist es so, dass da die Hälfte etwa Exilbayern sind und die andere Hälfte sind generell musikinteressierte Menschen. In Bayern sind halt auch viele Leute auf den Shows, die nicht notwendigerweise Rap-Fans sind, die sind halt wegen des Hypes da … weil man uns halt kennt.
X: Aber als Ihr dann zum zweiten Mal in z. B. Hamburg gespielt habt, waren dann deutlich mehr Leute da, als beim ersten Mal, weil sichs halt rumgesprochen hat, oder?

FF: Ja, genau. Und auch bei Festivals ist es auch oft so, z. B. beim Juicy Beats in Dortmund hatten wir nen Slot am Nachmittag und anfangs waren gar nicht so viele Leute vor der Bühne, das wurden dann aber schnell immer mehr und am Ende der Show wars voll.
X: Ihr macht fast alles selbst. Das letzte Album hab ich noch von einer Promoterin bekommen, dieses Mal macht Ihr auch das selbst. Anfangs wars ja bestimmt aus der Not geboren, mittlerweile würdet Ihr bestimmt leicht ein Label finden – warum fast 100 % DIY?

FF: Das ist schon ein Stück weit Philosophie, einfach um auch bei quasi allen Entscheidungen wirklich die volle Kontrolle und künstlerische Freiheit zu haben. Es fällt uns auch echt schwer, so Sachen aus der Hand zu geben. Aber es ist mittlerweile auch echt sehr viel Arbeit, vor allem jetzt in der Phase, wo die Albumveröffentlichung und die Shows bevorstehen. Aber natürlich haben wir im engeren Umkreis verlässliche Leute, die uns bei gewissen Sachen unterstützen; also wenns jetzt um Videodrehs geht oder auch ums Mischen des Albums. Das haben wir beim Franz Sonnauer gemacht, der ein alter Kumpel von mir ist und der seither alle unsere Alben gemischt hat. Vorteile mit einem großen Label im Rücken wäre wohl, dass einem gewisse Kanäle o en stehen würden, bei denen man mit nem kleinen Label einfach nicht durchkommt. Also wenns etwa um irgendwelche relevanten Playlists geht. Da muss man entweder viel Glück oder ein großes Label im Rücken haben. Wir hatten schon im Anfang auch immer Anfragen von Labels und da haben wir uns glaub ich auch nicht so recht getraut.
X: Mit dem DIY-Spirit prasselt aber eben auch einiges an Belastung auf Euch ein, schaut Ihr, dass es auch immer wieder Phasen gibt, wo Ihr Eure Akkus aufladen könnt?

FF: Auf jeden Fall. Auch bei den bevorstehenden vielen Konzerten bis in den November rein gibt es bewusst auch immer mal wieder zwei Wochen Pausen zwischendrin. Das ist bewusst nicht mehr so komprimiert, wie auf früheren Touren.
X: Beim Making-Of-Clip zum „Es werde Dicht“-Clip, den Ihr ja in Ägypten gedreht habt, sieht das schon nach Friends & Family (inklusive Kleinkindern an Bord!) aus …

FF: Alle, die da dabei waren, in Ägypten sind zwar nicht Bluts- aber auf jeden Fall Family und Freunde. Da waren sehr viele aus Kairo dabei und die wenigsten konnten Englisch, aber man hat sich doch irgendwie verständigt.
X: Nur mit der Sonnenliege für den Clip gabs wohl Probleme …

FF: (lacht) Ja, das war so ein Ding. Erst mal haben wir lange versucht, in Kairo eine echte Sonnenliege aufzutreiben. Aber in Kairo scheint nur mal immer die Sonne, da braucht ja keiner eine Sonnenliege … schlussendlich wurde die Sonnenliege in Kairo von einer Bühnenbildnerin gebaut! Es ist also gar keine echte, die man da im Clip sieht!
X: Neben massig Politik, Gesellschaftskritik, Partytracks und Storytelling sind auch wieder mega Skits (kurzes Hörspiel-artiges Stück auf einem Album – Anmerk. d. Verfassers) auf dem neuen Album. So was wie „Punchline Labor Habermeyer“ ist nicht nur extrem unterhaltsam, sondern auch ordentlich zeitaufwendig. Da spricht dann Eure Hip-Hop-Liebe raus, oder?

FF: (lacht) Auf jeden Fall. Früher hatten manche Hip-Hop-Alben gerne mal so 20 Tracks, und ein paar davon waren eben Skits. Klar releasen wir auch immer wieder mal Singles, aber wir hängen nach wie vor an dem Album-Format und da gehören eben Skits dazu für uns.
X: Was fällt Dir direkt ein, wenn Du an coole Skits aus Deiner Plattensammlung denkst?

FF: Was mir sofort einfällt, ist das „Überfall“- Album von Massive Töne, wo einfach zwei so Kids einfach labern „Ey was is des, ey was is des … Massive Töööööne“.
X: Ich denk zuallererst an Freundeskreis und den Skit mit den Flyern, die zu Filtern werden … FF: Genau, die Menelik-Flyer! Mit Afrob – Hammer!

X: Ich bin bei Euch immer wieder baff über Euer Qualitätslevel, bei anderen Acts wäre man froh, wenn auf einem Album drei Tracks mit Eurem Level sind. Habt Ihr volle Schubladen mit Tracks, die Ihr nur so halbgeil fandet?

FF: Das gibt es tatsächlich. Alleine beim neuen Album sind fünf Tracks liegen geblieben, gar nicht, weil wir dachten, dass die nicht gut genug sind. Das war auch ne zeitliche Entscheidung, weil wirs nicht mehr geschaut haben. Aber die Trackskizzen sind ja noch da und vielleicht arbeiten wir da später weiter dran und es gibt irgendwann im Herbst mal eine Single oder so.
X: In Sachen Liveshows gabs über die Jahre mehrere Meilensteine, z. B. das ausverkaufte Konzert in der Olympiahalle und die Shows mit den Münchner Symphonikern. Da waren drei Shows geplant, die letzte in Nürnberg, fand aber dann leider nicht statt – warum eigentlich?

FF: Wegen der Temperatur! Die Streichinstrumente können bei 17 °C und drunter nicht mehr eingesetzt werden, da besteht einfach Gefahr für die sehr teuren Instrumente. Und da die Show in Nürnberg unter freiem Himmel stattfinden sollte, haben uns die Symphoniker abgesagt. Einige dachten bestimmt, wir haben zu wenig Tickets verkauft oder so. Am Anfang haben wir auch nur geschrieben, dass die Show aus produktionstechnischen Gründen nicht stattfinden kann, weil die Symphoniker nicht wollten, dass wir den tatsächlichen Grund nennen, aber das war uns wichtig und dann haben wir das später auch bekannt gegeben.
X: Und zum Abschluss: Du triffst die Märchenfee im Wald und hast drei Wünsche frei. Was wünschst Du Dir?

FF: Der erste Wunsch wäre, dass meiner Familie und meinem engeren Umfeld zu meiner Lebzeit nichts zustößt. Das Zweite wäre, dass jeder Mensch gleich behandelt wird, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe usw. Und das Dritte wäre, dass ich bis an mein Lebensende Musik machen kann, darf und muss!
X: Muss, krass – da bin ich auch dafür! Alles Gute Euch, wir sehen uns bei der Tour!



Termine
12.08. Rothenburg, Taubertal Festival
03.10. Ulm, Roxy


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