Dr. Hard, Heavy & Happy

Dr. Nico Rose, 1978 in Hamm geboren, ist Psychologe, journalistisch tätig und seit Jahren erfolgreicher Sachbuch-Autor. Die letzten beiden Jahre war er zudem als Professor an der International School Of Management in Dortmund tätig und hat sich einen Namen im Bereich der Personalentwicklung und der Gestaltung von Unternehmenskultur gemacht. Er ist außerdem leidenschaftlicher Metalhead und hat nicht nur die Facebookseite Ministerium für Schwermetall gegründet, sondern es mit seinem Mitte Juni erschienen Sachbuch „Hard, Heavy & Happy“ kürzlich sogar in die Spiegel Bestseller-Liste geschafft. Mitte Dezember liest er auf Einladung der Stadtbibliothek und der Volkshochschule in Heidenheim und stand im Vorfeld telefonisch Rede und Antwort.

XAVER: Moin Nico, schön dass das mit dem Interview klappt! An sich wollte ich eingangs fragen, was Du für ein Shirt anhast, aber Du sagtest eben, dass Du von einem Business-Termin kommst, dann wirst Du auch kein Metalshirt anhaben, oder?


Nico: Ich habe relativ wenig Hobbies und Leidenschaften; eine ist Metal und Konzerte – ich fahr jetzt auch gleich mit einem Kumpel nach Oberhausen zu Amon Amarth und Machine Head. Und die andere Leidenschaft… Ich bin halt so ein Wohlfühl-Mensch und investiere, wenn, dann relativ viel Geld für Kaschmirpullover. Aber nachdem ich nicht gar so großer Machine Head-Fan bin, schwanke ich für heute Abend zwischen einem Amon Amarth-Shirt und quasi meinem eigenen Shirt mit dem Buchcover drauf. Da hatten mich Leute angesprochen, ob’s das nicht auch als Shirt gibt und jetzt gibt’s das tatsächlich! Mal schauen, ob jetzt also Eitelkeit oder Fanliebe das Rennen machen heute Abend!

X: Dass Du leidenschaftlicher Metalfan bist, wusste ich schon vor dem Interview. Bei der Recherche hab ich dann aber erfahren, dass Dein hauptberufliches Spezialgebiet ja der Bereich Personalwesen und da besonders das Stichwort „positive Psychologie“ ist. Hast Du im Beruf Situationen erlebt, wo Du Dich gefühlt „verkleiden“ musstest?


NR: (überlegt) Ganz am Anfang, bei meinem ersten Arbeitgeber schon. Heute in meinem Coaching-Büro hier sieht man das ganz deutlich, da hängen diverse Metal-Memorabilia an der Wand. Wenn ich heute mit Firmen über Unternehmenskultur rede, dann spielt die Positive Psychologie und das Thema Sinn erleben eine große Rolle. Also wann und unter welchen Umständen empfinde ich mein Tun eigentlich von Sinn erfüllt. Und das hat für mich immer ganz viel mit verschiedenen Formen von Resonanz zu tun. Das, was wir neudeutsch „Purpose“ nennen, das ist eben Resonanz mit dem Kunden, Resonanz mit der Wirkung des Unternehmens. Spüre ich, dass wir die Welt so ein klein bisschen besser machen? Ich kann aber z.B. auch mit meinen Kollegen in Resonanz sein… Wichtig ist aber doch auch, ob ich mit mir selbst in Resonanz bin. Und wenn dann eben Teile von einem, wie z.B. das mit dem Metal, am Arbeitsplatz nicht erwünscht sind, dann bekommt das Unternehmen eben auch nur meinetwegen 70 Prozent von mir. Genauso ist das mit Aspekten der Sexualität, wenn z.B. jemand schwul, lesbisch oder trans ist, einem dann aber mehr oder weniger durch die Blume gesagt wird, das aber bitte nicht zu zeigen. Da geht dem Unternehmen total viel Energie verloren.

X: Dann lass uns mal die Kurve zu Deinem Spiegel-Bestseller-Buch – Gratulation übrigens! – nehmen. Bücher hast Du ja schon früher geschrieben, aber eher in Deinem beruflichen Bereich. Hatte das „Ministerium für Schwermetall“ etwas damit zu tun?


NR: Das hast Du eben im Grunde schon treffend beschrieben. Ich hab ab ca. 2018 schon angefangen ein bisschen über Metal zu schreiben, und zwar nicht in Metal-Magazinen, sondern ich hab z.B. 2018 fürs Handelsblatt online genau darüber geschrieben, was wir eben besprochen hatten. Also wie man das Metalhead-Dasein mit einer Managerkarriere vereinbaren kann.

X: Den Artikel verlinkst Du ja auch in der Infobox des Ministeriums für Schwermetall-Accounts bei Facebook, oder?


NR: Ja, genau. Das war der Auftakt. Später hab ich die Jungs von Wacken mal interviewt usw. – so komplett vom Himmel gefallen ist das Buch also nicht. Aber es ging tatsächlich über das Ministerium. Die spätere Projektmanagerin des Buches war früher noch bei Campus, einem typischen Mangement-Buchverlag, tätig. Und die ist auch Metalhead und irgendwann dem Ministerium beigetreten. 2015 ist dann eine wissenschaftliche Studie veröffentlicht worden, die herausgefunden hat, dass Metal-Fans in der Mitte ihres Lebens nicht nur nicht unglücklich sind, sondern möglicherweise glücklicher als Nicht-Metalfans. Die Studie ist weltweit durch die Tagespresse gegangen. 2017 hat dann ein anderer Wissenschaftler, den ich ja auch für das Buch interviewt habe, Prof. Dr. Joerg Scheller, so vier, fünf Seiten für die „Psychologie Heute“-Zeitschrift runtergeschrieben. Und das war dann der Aufhänger für die Projektmanagerin, mich mit einer Buchidee anzusprechen. Das Lustige ist, dass ich im ersten Moment Nein gesagt hab! (lacht) Ich hab einfach nicht gesehen, wie das Thema mit den Studien für ein Buch mit über 200 Seiten reichen sollte. Dann kam Corona und ich hatte nicht mehr ganz so viel zu tun. Ich hab dann eher so aus einer Laune heraus angefangen mal denkbare Kapitelüberschriften runterzuschreiben. Die ursprüngliche Buchidee hieß „33 1/3 Gründe, warum Heavy Metal glücklich macht“ und dazu hab ich dann so an die 15 Seiten Konzept geschrieben. Die Projektmanagerin hat das zu ihrem damaligen Verlag mitgenommen und dort vorgestellt und bekam die Antwort „Super Idee, super Typ – passt aber bei uns nicht rein!“. Durch eine glückliche Fügung hat die Projektmanagerin Anfang 2021 von Campus zu Penguin/ Randomhouse gewechselt, hat nach ein paar Wochen dann dort in diversen Unterverlagen versucht, das Buch unterzubringen, bekam aber immer wieder ähnliche Antworten, wie schon bei Campus. Dann ist uns aber eingefallen, dass es ja bei Heyne, die zu Penguin/Randomhouse gehören, die Sparte Heyne Hardcore gibt, wo auch diverse Metal-Biografien erschienen sind, also z.B. Bücher über Lemmy oder Bruce Dickinson. Heyne Hardcore hat gesagt „Geiler Typ, gute Idee – aber wir machen an sich nur Bücher von berühmten Leuten und der Rose ist ja nicht berühmt!“. Über Umwege hat es aber doch irgendwann noch mit Heyne Hardcore geklappt. Eine ganz ähnliche Geschichte wie bei vielen Bands mit ihrem Demo und dem ersten Plattenvertrag. Ohne die Hartnäckigkeit der Projektmanagerin wäre es nichts geworden! Und die ursprüngliche Zielsetzung war, wenn wir in einem Jahr 10.000 Stück verkaufen, sind alle glücklich. Und diese 10.000 hatten wir tatsächlich nach ungefähr zehn Tagen! Da hat das Ministerium definitiv viel mit angeschoben, denn da sind ja mittlerweile über 52.000 Leute dabei… Und so war es in der ersten Woche nach Veröffentlichung tatsächlich auf Platz 10 der Spiegel Bestseller-Liste Sachbuch, hielt sich mehrere Wochen dort und ist mittlerweile in der dritten Auflage.

X: Ja, Mensch, das freut mich für Dich!


NR: Viel cooler als die Zahlen sind die ganzen Reaktionen aus der Szene. Ich bekomme ständig Bilder zugeschickt, wo die Leute das Buch z.B. im Urlaub lesen und sich bedanken. Ich bekomme aber auch oft ellenlange Briefe, in denen mir Leute schreiben, was das Buch in ihnen ausgelöst hat und was es mit ihnen macht oder dass sie ihre Metalhead-Partner jetzt viel besser verstehen. Das kannte ich vorher gar nicht und ist für einen Psychologen, die ja alle irgendwie ein Helfersyndrom haben, schon cool.

X: Und nachdem das Buch zum Thema Metal so erfolgreich war, wird’s nochmal etwas von Dir in die Richtung geben?


NR: Ja, ich hab da jetzt schon Blut geleckt und bin an einem Nachfolger dran.

X: Zum Buch gibt’s bei Spotify auch eine Playlist mit jeder Menge starker Metal-Tracks. Da ist aber u.a. auch Klassik, Beyoncé, Pietro Lombardi und Kontra K drin. Wie kommt’s?


NR: Das resultiert aus einer Art Fleißaufgabe, die ich mir gegeben habe, als ich selbst mal Corona hatte und mich zuhause isolieren musste. Da hab ich das ganze Buch nochmal in mühevoller Kleinstarbeit durchgeschaut und alles in die Playlist gepackt, was in dem Buch genannt wird. Und vor zwei Jahren gab’s eben diesen Chart-Battle zwischen Heaven Shall Burn und Pietro Lombardi und so ist Lombardi eben in der Playlist gelandet.

X: Zum Metal bist Du wohl über längere Autofahrten mit Deinem Vater gekommen, aber kannst Du Dich noch an Dein erstes Metalkonzert erinnern?


NR: Ohhh, ich weiß es nicht mehr genau. Früher hab ich auch noch die ganzen Eintrittskarten aufbewahrt, aber das ist dann irgendwann zu viel geworden. Ich kann das heute also nur noch mutmaßen. Ich meine, es müsste entweder Helloween, Gamma Ray oder Blind Guardian gewesen sein.

X: Neben Deinem beruflichen Leben und Deiner Metal-Leidenschaft bist Du auch leidenschaftlicher Vater. Und das ist nicht immer leicht: Wie wars denn im Paw Patrol-Musical?


NR: (lacht) Ja klar, ich bin echt gerne mit den Kindern unterwegs, auch bei solchen Geschichten. Weil ich ja beruflich immer wieder mal tageweise unterwegs bin, unternehme ich dann am Wochenende gerne was mit den Kids. Und ich hatte auch bei Paw Patrol Spaß und hab die Titelmelodie anschließen nicht mehr aus dem Hirn bekommen (lacht). Vorletzte Woche waren wir auch mit der ganzen Familie bei Heavysaurus(eine Metalband für Kids, die in Dino- und Drachenkostümen auftritt, Anmerk. d. Verf.). Und ich hab ja vorher schon erwähnt, dass ich relativ wenig Hobbies habe, außer eben Kaschmirpullis zum Wohlfühlen (lacht). Ich investiere jetzt auch nicht in irgendwelchen technischen Schnickschnack, hab weder ein eigenes Auto noch Motorrad und auch keine Eisenbahn im Keller. Wenn, dann geht das also alles in Richtung Erlebnisse, Musik, Musical oder ich war mit meinem Sohn jetzt auch schon mehrfach in klassischen Konzerten. Mir ist das bei den Kids auch gar nicht so wichtig, dass sie unbedingt mal Metalheads werden und wir zusammen auf Wacken gehen können. Wichtig ist nur das, was mein Vater mir auch vermittelt hat: Musik ist einfach etwas Wertvolles. Und ich höre nicht einfach etwas, nur weil es im Radio kommt, sondern ich mach mir das zu eigen und suche mir meine Musik und entwickle eine Leidenschaft dafür. Das würde ich mir auch für meine Kids wünschen. Wenn es dann Metal ist, freu ich mir nen Ast, aber viel wichtiger ist die Botschaft, dass Musik etwas Besonderes ist und auch nicht nur mittels Kopfhörern gehört werden will, sondern auch gemeinschaftlich zelebriert werden muss!

X: Stichwort Wunsch: Stell Dir bitte folgende Situation vor: Du triffst die Fee aus dem Märchen und hast drei Wünsche frei… was wären Deine Wünsche?


NR: Ich möchte (überlegt)… Ich hab halt vor 20 Jahren aufgehört Gitarre zu spielen. Ich würde gerne richtig gut Gitarre spielen können und würde als zweiten Wunsch dann auch sehr gerne mal Musik aufnehmen, denn ich habe da diverse Lieder im Kopf, die seither nur in meinem Kopf existieren. Und ansonsten einfach unspezifisch, dass meine Kinder gesund und glücklich groß werden. Und ich bin an sich fast wunschlos glücklich; ich hab nen Job, den ich mag, ich bin verheiratet, den Kindern geht’s gut und meine Eltern und Schwiegereltern leben noch. Klar, durch Corona und dem Ukrainekrieg ist international nicht alles toll, aber ganz viel von dem, was mich glücklich macht, mach ich aktuell in vielen Momenten!


LIVE
15.12.
Heidenheim, Stadtbibliothek


Nico Rose
Hard, Heavy & Happy
Heavy Metal und die Kunst des guten Lebens
Mit Illustrationen von Stephan
Baumgarten, 368 Seiten, ISBN: 978-3-453-21829-1


[Text: Tom, Bild: Heinz Feussner]


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