Toto und die internationale Schwaben-Connection: Eau Rouge

Vor fünf Jahren veröffentlichte die Gmünder Band Eau Rouge ihr Debutalbum „Noctural Rapture“ bei AdP Records. Seitdem haben sie - ganz ihrer schwäbischen Herkunft entsprechend - fleißig „geschafft“ und so einiges auf der Haben-Seite verbuchen können. Ende 2021 haben sie dann ihr zweites Studio-Album „ACID LOVE“ beim französischen Indie- Label „Raptile“ veröffentlicht, die Single „Saturation“ daraus stieg prompt auf Platz drei der deutschen Campus-Radio Charts, „Vienna“ schaffte es sogar auf Platz eins der egoFM-Charts und im Januar 2022 gehen Jonas Teryuco (Vocals/Synths/Bass/Guitar), Bo Zillmann (Vocals/Synths/Guitar) und Magnus Frey (Drums/Programmings) dann auf ausgedehnte Tour – so es die Pandemie denn zulässt. XAVER hatte im alten Jahr noch Gelegenheit für ein interessantes Gespräch mit Jonas Teryuco.

X: Moin Jonas! Ich hab Euch erst mit Eurem aktuellen Album “Acid Love” kennengelernt und mir erst danach den Vorgänger “Nocturnal Rapture” angehört. Für die Leute, die noch gar nichts mit Eurem Namen anfangen können: gib denen doch mal kurz Infos wie Ihr als Band zusammengefunden habt! 

Jonas Teryuco: Ja, das ist jetzt ja auch schon wieder ein paar Jährchen her – 2013 haben wir angefangen. Aber es ist tatsächlich so, dass wir alle aus Schwäbisch Gmünd kommen und dort auch schon in verschiedenen Bands gespielt haben. Bei vielen der damals aktiven Bands war dann aber irgendwann die Luft raus, die einen haben eine Paus gemacht, andere haben aufgehört... Über drei, vier Jahre gabs zwischen mehreren Bands so eine Art Bandfreundschaft, bevor das dann aber alles irgendwie abebbte. Und dann haben wir drei uns eben zusammengetan und daraus ist dann Eau Rouge geworden. 
X: Aber der Bo spielt doch auch noch bei The Art Of Boys, oder?

JT: Genau, die gabs es auch schon vor Eau Rouge und da ist er nach wie vor aktiv. (Checkt den neuen Song “Fault” bei YouTube! - Anmerk. D. Verf.)

X: Man hört Eurem Sound – der sich ganz schwer auf eine Genreschublade festtackern lässt - die Herkunft aus einer schwäbischen Kleinstadt null an – was ja schon mal eine Leistung ist. Aber wie entstehen denn Eure Songs eigentlich? Zu dritt im Proberaum oder erst mal alleine am Laptop?

JT: Das ist ganz unterschiedlich, aber oft tatsächlich so, wie Dus gerade beschrieben hast. Beim Titeltrack zum neuen Album hat Bo im Proberaum mal wieder angefangen das Riff zu spielen, das hat er immer wieder mal angebracht. Und wir schneiden im Proberaum auch schon immer viel mit und jammen dann auch immer viel. Dann hab ich mir das geschnappt, mir so meine Gedanken dazu gemacht, ein paar Sachen ausprobiert und das ein oder andere in Richtung Gesangsmelodie probiert. Und bei der nächsten Probe haben wir das wieder gejammt und den Song zusammen fertig gemacht. Genauso wars auch mit der ersten Single “I Know That You Know”, da war bei diesem 20minütigem Jam-Mitschnitt an sich auch schon alles drin. Die Gesangslinie, die Strophe und sogar das Solo! Aber es gibt tatsächlich auch immer mal wieder Tracks, wo das meiste daheim entsteht. 
X: Und die Tracks, die daheim entstehen, gabs die auch vor Corona schon, oder kam das verstärkt in der “Kontakte mindern”-Zeit?

JT: Nein, das war eher so ganz in den Anfangstagen der Band so, dass wir Sachen daheim gemacht haben und uns geschickt haben. Später haben wir dann Geschmack am gemeinschaftlichen Jammen gefunden und so entsteht heute der Großteil der Songs.
X: Und wäre das neue Album ohne die Corona-Grätsche später erschienen?

JT: Nein, das wäre ohne Corona wohl sogar früher erschienen. Weil wir den Großteil schon im ersten Corona-Jahr aufgenommen haben und es aber erst veröffentlichen wollten, wenn wir auch damit auf Tour gekonnt hätten. Und unser Plan war ja jetzt im Januar mit dem neuen Album auf Tour zu gehen, was aber gerade auch zunehmend schwierig aussieht. Geplant sind alleine in Deutschland 13 Konzerte übers ganze Land verteilt; und wies aussieht müssen wir die alle neu ansetzen. Bei einigen wenigen siehts gerade noch so aus, als ob die im Januar klappen könnten, aber das steht alles auf sehr wackeligen Beinen.
X: Es vergeht ja auch kein Tag gerade, an dem nicht irgendeine deutsche oder auch internationale Band ihre für Anfang 2022 geplante Tour absagt oder um einige Monate verschiebt... hast Du selbst Konzertkarten in der Schublade, bei denen sich der Termin schon mehrfach verschoben hat?

JT: Ich gehe tatsächlich eher spontan zu Konzerten. Aber hey, für alle, die das Interview lesen: man tut der Band immer einen Gefallen, wenn man frühzeitig Tickets kauft! Aber hier, meine Kollegen Bo und Magnus, die haben bestimmt Eintrittskarten zu Hause rumliegen, wo die Shows verschoben wurden. Die zwei gehen auch gerne mal zu so Klassikern, wenn z.B. mal Toto wieder auf Tour kommen, oder Phil Collins…
X: Kuck, das hätte ich bei Euch jetzt auch nicht auf dem Zettel gehabt!

JT: Doch, doch, kucken wir gerne an – wobei ich eher so auf kleinere Konzerte stehe. Aber es gibt bei mir definitiv auch Konzerte, die ich mir gerne angeschaut hätte, die dann aber verschoben wurden.
X: Ja, geht mir genauso. Man ist immer wieder dabei Konzerte im digitalen Kalender um ein paar Monate zu verschieben…


X: Du hast vorhin gesagt, dass Ihr während der Proben schon Sachen aufnehmt und sich das Material auf der neuen CD auch teilweise kaum von diesen Versionen unterscheidet. Wie kamt Ihr denn dann dazu die Albumproduktion in einem Studio in Berlin zu machen?

JT: Es spielt sich musikmäßig einfach extrem viel in Berlin ab. Und wir wollten um das Album dann zu machen bewusst auch ein bisschen rauskommen aus dem was wir sonst so machen. Man hat ja sonst auch schnell das Gefühl, dass man auf der Stelle tritt. Wir haben dann so ab 2019 mal überlegt und uns umgeschaut, mit wem wir da zusammenarbeiten könnten. Und zum Schluss ist es dann ein Ludwigsburger, nämlich Henrik Müller, geworden, da hat also dann doch sie „Schwaben-Connection“ gezogen. Der hat früher selbst Schlagzeug bei Abby gespielt und wir haben uns direkt – auch von der Arbeitsweise her – sehr gut verstanden. Im hat auch sehr gut gefallen, was wir im Vorfeld schon selbst aufgenommen hatten und hat gerne auf der Basis mit uns weitergearbeitet. Andere Produzenten hätten sowas strikt abgelehnt, weil sie die sauberen Signale wollen, aber uns wars aber eben auch wichtig diesen Livevibe unserer Proberaum-Aufnahmen mit aufs Album zu bringen. Und wie Du vorhin schon gesagt hast, sind wir stilistisch ja auch schwer festzulegen und Henrik kam super damit zurecht, dass ein Song eher so in Richtung Post Rock geht, dann aber auch eine Akustiknummer dabei ist und ne Popnummer.

X: Ok, Studio in Berlin hab ich jetzt also verstanden, aber wie kommt man denn als deutsche Band zu einer französischen Plattenfirma?

JT: (lacht) Das hatte wahrscheinlich auch etwas mit dem Bandnamen zu tun…
X: Ach cool, dann sind die also initiativ auf Euch zugekommen?

JT: Nein, wir hatten so ein bisschen was rumgeschickt und die waren direkt richtig enthusiastisch und es hat dann auch richtig gut gepasst. Vor allem in Deutschland machen wir aber das allermeiste nach wie vor selber. Wir managen uns also quasi auch selber. Aber in Frankreich läuft richtig viel über das Label und im Februar sind dort auch mehrere Konzerte geplant. Da haben wir auch noch nie gespielt und wir freuen uns da mega drauf!

X: Wenn wirs schon vom Genremix und der Vielseitigkeit hatten: Wenn Ihr Euch selbst eine Packagetour zusammenstellen könntet, mit wem würdet Ihr zusammen auf Tour gehen?

JT: Also zuerst mal direkt: Toto! (lacht) Und dann sind Tame Impala noch eine Lieblingsband von uns allen, genau wie die belgische Band Balthazar. (überlegt) …und vor allem für Magnus würde ich noch Blink 182 mit nennen.
X: Sehr coole Mischung, das Package würde ich mir sehr gerne anschauen!


X: Gerne gesehen hätte ich auch Eure Show beim SXSW-Festival in den USA, wie habt Ihr denn das geschafft da dabei zu sein?

JT: Das lief über einen Freund in den USA, der uns einfach recht früh in der Bandgeschichte angetextet hat. Der fand eben direkt sehr cool, was wir so machen und hat uns etwas unterstützt und auch mit dafür gesorgt, dass das geklappt hat. Man muss aus heutiger Sicht auch sagen, dass es vielleicht etwas früh für uns war, weil das ja noch vor dem ersten Album war und wir noch gar nicht so viel Nutzen aus der Show ziehen konnten. Aber es war eine megageile Veranstaltung und hat wahnsinnig Bock gemacht dabei zu sein und den Vibe der Stadt zu spüren! Da haben hunderte von Bands gespielt und man darf sich das jetzt auch nicht so glamourös vorstellen, die meisten der Shows finden in kleinen Läden oder sogar Kneipen statt.

X: Und dann steht im Info noch, dass Ihr Songs bei Netflix, Germanys Next Topmodel und Red Bull platzieren konntet – und all das, wo ihr Euch quasi selbst managt… Ihr habt offensichtlich ein gutes Händchen!

JT: Naja, je nachdem, wie mans sieht, es ist halt auch viel schiefgelaufen!
X: Wie jetzt?

JT: Naja, wie man sieht, unsere Musik funktioniert überall. Aber trotzdem ist jetzt noch niemand gekommen und hat zugeschlagen und gesagt, ok, wir bringen Euch aufs nächste Level und machen das jetzt alles größer. Du kannst als Band dann halt schon so ne Art Lottogewinn haben… nimm z.B. Alice Merton. Die hat auch alles selbst gemacht und dann mit „No Roots“ einen Welthit geschrieben. Die hatte dann aber auch das Glück, und das ist der angesprochene 6er im Lotto, das sie in die Vodafone-Werbung kam. Ohne den Lotto-Faktor bleibt einem eben der Weg des kontinuierlichen Arbeitens, das dauert dann aber eben länger.

X: Ich hab auch von einem 3D-Konzert von Euch an der Hochschule für Druck und Medien in Stuttgart gelesen – wie muss ich mir das vorstellen?

JT: Ja, das war auch ne spezielle Erfahrung, wo wir unserer Zeit auch fast ein bisschen voraus waren. Wir hatten da ein riesiges Studio an der HDM mit bestimmt 50 Lautsprechern und Mikros auf mehreren Ebenen, wo dann über das Mischpult und eine entsprechende Matrix – genau weiß ich auch nicht, wie das geht - der Sound dreidimensional im Raum und auf der Aufnahme verteilt wird. Kann man so ein bisschen mit Dolby Surround im Kino vergleichen!
X: Klingt sehr imposant! Habt Ihr eine besondere Verbindung zu der Hochschule oder wie kam der Kontakt zustande?

JT: Ich hab da Audiovisuelle Medien studiert. Was natürlich auch ein riesiger Vorteil für die Bandarbeit ist, weil ich halt das Material entsprechend vorproduzieren kann und mich auch um die Gestaltung der Alben und allgemein die visuelle Seite wie Poster oder auch Videoclips kümmere.

X: Um diese Zeit im Jahr sind die persönlichen Jahreshighlights auch sehr beliebt? Lieblingsalben? Besuchte Konzerte? Coole Serien oder gar Bücher?

JT: Da fällt mir direkt eine niederländische Sängerin ein, Eefje De Visser – die würde ich auch super gerne mal live sehen. Die singt auch auf Holländisch und ich bilde mir immer ein, dass ich ein paar Worte verstehe, liege aber bestimmt oft völlig daneben! Da liegt aber so viel Stimmung in der Musik drin, da ist es an sich auch egal was da textlich passiert. (lacht)

X: Zum Abschluss die Signature-Frage: was wären Deine drei Wünsche von der berühmten Fee?

JT: (überlegt) … man sagt ja immer „Ein Gesunder hat viele wünsche, ein Kranker nur einen!“ und im Moment kann man sich ja eigentlich nur Gesundheit für alle wünschen! Weil, dann stehen wir ja schon viel besser da. Dann wünsche ich mir natürlich, dass unser ja quasi noch taufrisches Album noch mehr Aufmerksamkeit bekommt…
X: Also die Vodafone-Werbung – ich drück die Daumen!

JT: (lacht) Genau, danke! Und als dritten Wunsch (überlegt) … einfach möglichst viel live spielen 2022!


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