The Waterboys, All Souls Hill

Rock

Dass er mal ein wütender Mann Mitte 60 sein würde, hätte sich Mike Scott wahrscheinlich nie träumen lassen, als er mit „The Whole Of The Moon“ einen der wundervollsten Lovesongs der Rockgeschichte schrieb. Zum 40jährigen Jubiläum seiner Karriere als Waterboys-Mastermind verlässt er auf seinem 15. Album „All Souls Hill“ ganz bewusst seine Komfortzone. Im von aggressiven Gitarrensounds geprägten „The Liar“ rechnet Scott mit dem ehemaligen US-Präsidenten Trump ab. Soundsamples des mörderischen Mobs vom 6. Januar 2021 beim Sturm aufs Kapitol in Washington verstärken diese Wirkung nur noch. Stellung beziehen in hochpolitischen Songs wie dem Titelstück: Mike Scott will uns offenkundig wachrütteln.

Dass er im Inneren ein Träumer geblieben ist, beweist der Schotte mit Wohnsitz in Dublin im feinfühligen „Hollywood Blues“, wo er sich abseits aller Nostalgie auf den Spuren von Bob Dylan und Leonard Cohen bewegt. Altersweise? Irgendwie schon! Im klassischen „Once Were Brothers“ covert Scott einen Song von Rocklegende Robbie Robertson und macht ihn sich ganz zu eigen. Außerhalb seiner Komfortzone wagt sich der „Ober-Waterboy“ durch seine enge Zusammenarbeit mit dem britischen Soundtüftler Simon Dine: Sechs der Songs sind als Ergebnis eines gemeinsamen künstlerischen Prozesses entstanden. Auf der Stelle treten und sich selbst wiederholen? Für Scott ist das Teufelszeug! Aber zumindest lässt er uns mit dem gefühligen „Passing Through“ auch mal Trost schöpfen und beweist einmal mehr, dass er ein wunderbarer Geschichtenerzähler ist.

Einordnung: Rock
The Waterboys, All Souls Hill
Cooking Vinyl, 2022
***** (fünf Sternchen)


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