„The Shards“

Autofiktionaler Fiebertraum

Was soll man für bare Münze – und was als reine Erfindung nehmen im neuen Buch des „American Psycho“-Autors, der sich hier auf gut 700 Seiten an den angeblich traumatisierenden Herbst des Jahres 1981 und sein damaliges 17-jähriges Ich erinnert? Man ist vermutlich gut beraten, jenseits der biographischen Details und des Schauplatzes ein fiktionales Werk zu akzeptieren. Denn so verstörend erfolgreich, ein hinter all der zur Schau gestellten Oberflächlichkeit und Abgestumpftheit herankriechendes Grauen zu entwerfen, war der bald 59-Jährige vielleicht noch nie. Ein tiefes Eintauchen in die 80er-Jahre, die Musik der Zeit und das lässige Treiben der Abschlussklasse der renommierten Buckley Prep School in L.A., wo den privilegierten Jugendlichen mit ihren Camaros, Porsches und Trans Ams wenig Grenzen gesetzt werden. Man könnte einen Haken setzen hinter all die Dinge, die für das frühere Werk des Autors so prägend gemacht haben: Drogen? Check. Sex? Check. Gewalt? Checkcheck. Dafür sorgt ein Serienmörder, der mit und aus seinen jugendlichen Opfern verstörende Installationen bastelt, und all das auch im nächsten persönlichen Umfeld des Ich-Erzählers. Wie in Trance gleitet man durch die minutiös geschilderten Ereignisse weniger Wochen, in der mit Robert Mallory ein neuer Schüler zu der Gruppe rund um Bret Ellis kommt, der eine Ausstrahlung zwischen bedrohlich und attraktiv besitzt. Bis hin zum irren Finale in einem düster-faszinierenden Roman. Die perfekte Einstimmung darauf bietet das Video zu „Vienna“ von Ultravox – dem zugrundeliegenden Soundtrack für ein Buch, mit dem es der Autor allen noch einmal zeigt, dass er weit mehr kann als etwa den düsteren Abklatsch von „Glamorama“ oder „Imperial Bedrooms“

Bret Easton Ellis
aus dem Amerikanischen
von Stephan Kleiner
736 Seiten
Kiepenheuer & Witsch,
28,– € / eBook 19,99 €


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