Nagelbombe ins Herz

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Nagelbombe ins Herz
Fatih Akin schustert Diane Kruger in „Aus dem Nichts“ die Rolle ihres Lebens zu

Ganz lange gibt es keine Sonne in diesem Film. Bis nach all dem schweren niederprasselnden Hamburger Regen zum Schluss die Wolkendecke aufreißt, dauert es in Fatih Akins neuem Film. Was ja passt, weil es um die gewalttätige Auslöschung einer Familie, um den Umgang mit einer kalten Gerichtsbarkeit sowie um absolute Ohnmacht und den Wunsch nach Rache geht. Akin übernimmt dafür grob den Handlungsrahmen der NSU-Nagelbombenattentate und lässt in einem solchen Anschlag den Mann und Sohn der toughen Hamburgerin Szene-Braut Katja ums Leben kommen, die sich mit dem vorbestraften Türken Nuri eine solide Existenz aufgebaut hatte. Klar, dass die Polizei da gleich Bandenkriege zwischen Albanern und Türken wittert und auf dem rechten Auge blind ist. Und ebenso klar, dass der Prozess gegen das verhaftete Neonazi-Pärchen Edda und André Möller, befeuert vom gegnerischen Verteidiger Haberbeck (furchteinflößend: Johannes Krisch) zur quälenden Tortur für die Witwe wird. Wer Fatih Akin vorwirft, sich in seinem Film den Tätern nicht genügend zu widmen und die Ermittlungsarbeit nur in Klischees zu streifen, der verkennt „Aus dem Nichts“: Nach seiner „Tschick“-Verfilmung beschränkt sich Akin ganz streng auf Katjas Opfer-Perspektive und gewinnt mit Unterstützung seiner kargen Inszenierung eine Wucht, die mit einem relativierenden Abwägen nie möglich gewesen wäre. Auch das NSU-Kürzel für die Neonazi-Bande wird nie erwähnt. Der Film spielt in einer Welt ohne Zschäpe und Co. Im Zentrum des Sturms: Diane Kruger, die in ihrer ersten deutschen Filmrolle brilliert und dafür auch in Cannes mit dem Preis für die beste Schauspielerin ausgezeichnet wurde. Wie sie in dem in drei Kapiteln aufgeteilten Film vor Trauer den Boden unter den Füßen verliert, in einem Grabeskälte atmenden Gerichtsprozess weiter zermürbt wird und im letzten Akt wieder Handlungsgewalt gewinnt, ist von sehenswerter Größe.
Drama über Opfer rechter Gewalt

Aus dem Nichts
D 2017
R: Fatih Akin
D: Diane Kruger, Denis Moschitto, Numan Acar
S: 23. November
www.ausdemnichts-film.de

Statement des Regisseurs Fatih Akin:
„Katja verwirklicht etwas, was in uns schlummert. Was dort aber unbedingt auch weiter schlummern sollte. Die Perspektive der Mörder hat mich nicht interessiert. Mir war völlig klar, wo meine Empathie, mein Fokus liegen mussten. Ich wollte mich diesem Gefühl von Trauer und ihren vielen Ebenen nähern.“


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