Mit Pistolen und Zahnbürsten

Jacques Audiard zeigt mit „The Sisters Brothers“, dass Western auch anders geht

Namen können täuschen. Und zwei Brüder, die mit Nachnamen „Schwester“ heißen, müssen nicht unbedingt zartbesaitete Kreaturen sein. So auch die Gebrüder Eli und Charlie, die im Jahr 1851 im Oregon-Territorium ordentlich für Blutvergießen sorgen, wo auch immer sie von ihrem Boss „Commodore“ hingeschickt werden. Ihr jüngster Job: einem Chemiker auf dem Weg nach Kalifornien die Wunderformel abpressen, die Goldnuggets im Wasser weithin aufleuchten lässt. Schluss also mit der elenden Schürferei, rein die Plörre und gut ist. Was wie ein einfacher Job klingt, ist davon natürlich weit von einfach entfernt und der Auftakt für eine hakenschlagende Geschichte, die so gar nicht ins gängige Western-Muster passen will.
Der französische Autorenfilmer Jacques Audiard wäre dafür auch nicht der rechte Mann gewesen: Mit Filmen wie „Ein Prophet“ und „Der Geschmack von Rost und Knochen“ setzt er nämlich auf düstere, realistische Themen, statt historische Verklärung. Die eher als Schelmengeschichte angelegte Romanvorlage von Patrick DeWitt kam ihm da gerade recht und durch ein paar Gewichtsverlagerungen im Drehbuch hatte er Stoff für seine Fabel über menschliche Gier und das Verderben, das sie bringt.
Denn wo die üblichen Goldgräber-Glücksritter nur auf das eigene Wohl aus sind, will der sanftmütige Erfinder Hermann Kermit Warm mit seiner Wunderformel gerade so viel Geld zusammenkratzen, um in Texas eine utopische, friedliebende und antikapitalistische Gesellschaft zu gründen.
Vom ungewöhnlichen Soundtrack von Alexandre Desplat („Shape of Water“) bis zu den Drehorten in Rumänien und Spanien ist deshalb immer etwas leicht daneben in diesem Westernverschnitt, der keine Satire ist. Sondern immer ein Gegenmodell anbietet, wie es schon im titelgebenden ungleichen Duo der Sisters-Brüder angelegt ist: Der friedliebendere Eli (sehr stimmig mit John C. Reilly besetzt) freut sich in sehr komischen Szenen wie Bolle über Neuerfindungen wie Zahnbürsten oder Wasserklosetts, weint seinem verstorbenen Pferd Tub nach und kuschelt sich mit einem roten Schal ans Lagerfeuer. Derart menschliche Regungen sind dagegen bei seinem versoffenen Raubein-Bruder Charlie etwas tiefer vergraben – kommen aber in herrlichen und für das Genre ungewöhnlich ausschweifenden und direkt DeWitts Roman entnommenen Dialogsequenzen doch ans Tageslicht.
Alternativ-Western mit Witz und Vision

The Sisters Brothers
F/USA/ES/RU/B 2018
R: Jacques Audiard
D: John C. Reilly, Joaquin Phoenix, Jake Gyllenhaal
S: 07. März
www.panorama-entertainment.de

Statement des Regisseurs Jacques Audiard:
„Dieser Western spielt vor der Freud’schen Psychoanalyse: Zwei Brüder reden und reden, und sagen am Ende Dinge, die sie nie vorher ausgesprochen haben. Normalerweise würde so etwas in einem Salon oder auf einer Couch stattfinden, hier dagegen auf dem Pferderücken.“


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