Ich hasse Musik: Marla Glen

Marla Glen, geboren 1960 in Chicago, kennt man vor allem wegen ihrer außergewöhnlichen Röhre. Blues, Jazz und Soul sind ihr Metier und zur herausragenden Stimme kommt ein entsprechendes Auftreten, gerne im Nadelstreifenanzug. Nach längerer Funkstille erscheint Anfang April ihr neues Album „Humanology“, mit dem sie dann auch wieder ausgiebig touren wird. Sie klingt etwas zerknittert, als wir sie kurz nach dem Frühlingsanfang abends an einem wunderbaren, sonnigen Tag in ihrem „Noch-Zuhause“ Baden-Baden erreichen. Über die Dauer des Gesprächs läuft sie dann aber zu wahrer Höchstform auf, schwingt sich hier und da gar fast in Nina Hagen-Höhen und macht das ein oder andere Fass auf - aber lest selbst.

XAVER: Hallo Marla, ich hoffe Du hattest einen schönen Tag!

Marla Glen: Ach ja, schon.
X: Oh, das klingt nicht so begeistert.

MG: Naja, ich war mit meinem Hund draußen und liege jetzt auf meinem Sofa rum.
X: In ein paar Wochen geht’s los auf die nächste Tour, auf der Du Deinen Fans Dein neues Album vorstellst. Seid Ihr schon fleißig am Proben?

MG: Ja, die Band ist schon am Proben.
X: Ohne Dich, oder wie?

MG: Na, ich muss eben meine Stimme schonen.
X: Die Zeit zwischen dem neuen Album, das Anfang April erscheinen wird, und dessen Vorgänger ist recht lang geworden. Wie kommt’s?

MG: Das solltest Du am besten mal den Produzenten des Albums fragen!
X: Naja, als Künstlerin, die ihre eigenen Songs schreibt, wirst Du ja ständig neues Material entwickeln. Ich stelle mir das recht hart vor, wenn man diese Songs dann nicht auch zeitnah veröffentlichen kann.

MG: Nee, so ist das nur im Kino.
X: OK, wenn’s dann aber ins Studio geht, hast Du immerhin massig Material, auf das Du zurückgreifen kannst?

MG: Ja schon, aber bei diesem Album hat es einfach seelisch nicht gepasst zwischen dem Produzenten und mir und deswegen hat sich das auch alles so ewig gezogen.
X: Geboren wurdest Du ja in Chicago, lebst jetzt aber schon seit mehr als zehn Jahren in Süddeutschland. Warum bist Du denn hierher gezogen?

MG: Da ging es um Gerechtigkeit, die ich in dem Land hier aber nie bekommen werde.
X: Das musst Du jetzt bitte etwas näher erklären.

MG: Naja, da geht’s um meine Vergangenheit und all die kriminellen Machenschaften um mich herum. Aber Derartiges scheint in diesem Land normal zu sein.
X: Das hört sich dann aber nicht so an, als ob man in so einem Land dann auch noch jahrelang leben möchte.

MG: Man sollte ja nie aufgeben (lacht schallend). Und außerdem bin ich hier mittlerweile einfach hängen geblieben, denn ich hab’ jetzt hier eine Freundin.
X: Nachdem Du nun schon ein paar Jahre hier gestrandet bist - gibt’s denn auch deutsche Bands, die Dir gefallen?

MG: Auf meinem neuen Album sind Xavier Naidoo und die Toten Hosen zu hören...
X: Marla Glen, Xavier Naidoo und die Toten Hosen auf einem Album - ein Grund mehr, sich das mal anzuhören!

X: Und das deutsche Essen hat es Dir auch angetan?

MG: (lacht) Ja klar, ich mag das deutsche Essen. Vor allem in Restaurants, in denen es ein ordentliches Bier zum Essen gibt!
X: Ich habe gelesen, dass Deine Mutter eine erfolgreiche Bänkerin und Dein Vater ein Blues-Gitarrist war...

MG: Ach nein, mein Vater war niemals Blues-Gitarrist. Das haben sich diese Leute... na, wie heißen die... genau: Journalisten, ausgedacht. Das machen die immer wieder gerne, um ihre Magazine zu verkaufen.
X: OK, ich hab’ das bei der Recherche im Internet bei Wikipedia gefunden.

MG: Ja, das Internet... wer auch immer das geschrieben hat, hat wohl selber einen Blues-Gitarristen als Vater und wollte mir das auch so andichten.
X: Dein musikalisches Talent wurde ja recht früh entdeckt. Hattest Du denn auch einen Plan B in der Schublade, falls es mit der Karriere im Musikbusiness nichts geworden wäre?

MG: Ich wollte eigentlich nie im Musiksektor Karriere machen. Mein Plan B wäre also gewesen, wenn ich es je aus dem Musiksektor raus schaffen sollte, Polizistin oder Soldatin zu werden. Inzwischen habe ich meine Meinung aber geändert, weil ich jetzt nun mal Musikschaffende bin. Musik ist an sich gar nicht so meine Sache, es ist aber nun mal so, dass ich dafür offensichtlich Talent habe. Ich hasse Musik, wohl als einzige in dem Berufsbereich. Ich nenne das auch eher MuSICK, weil es einen einfach krank macht! Das ganze Business ist krank und unfair und es läuft auch heutzutage so viel Schlechtes unter Musik. Ich finde z.B. Rappen hat nix mit Gesang zu tun. Ich bin also kein wirklicher Musikfan, aber es liegt mir eben in allen meinen dreizehn Nationalitäten im Blut. Ich wurde damit geboren, es ist nicht meine Schuld, also bitte keine Vorwürfe!
X: Dann war dieser erste, im Alter von elf Jahren geschriebene Song eher so eine Art Unfall?

MG: Ja, so könnte man das dann wohl nennen.
X: Das war also alles andere als eine Traumkarriere?

MG: Genau. Ich habe Gott auch ein ums andere mal angefleht, mir das zu ersparen. Aber es scheint, als ob Gott mit dem Musikbusiness recht wenig zu tun hat.
X: Wo Du gerade Gott erwähnst, bist Du religiös?

MG: Nein. Findest Du denn nicht, dass Religion unsere Welt dieser Tage ganz schön kaputt macht?
X: Doch, auf jeden Fall!

MG: Wieso sollte ich denn dann religiös sein?
X: Naja, Du hast doch angefangen über Gott zu reden, ich dachte immer, da gäb’s Zusammenhänge.

MG: Gott hat doch gar nichts mit Religion zu tun.
X: OK, jetzt wird’s interessant, erzähl mal.

MG: (lacht) Wie meinst Du das jetzt?
X: Naja, Du erwähnst Deinen Gott, hast aber nichts mit Religion am Hut.

MG: Dann erzähl Du mir doch etwas über Deinen Gott.
X: Da kann ich nicht mit dienen.

MG: OK, ein Atheist also.
X: Annähernd, ja.

MG: Naja, dann macht’s auch gar keinen Sinn, mit Dir über Gott zu reden. Ich habe an sich auch kein Problem mit Religion. Eher mit dieser organisierten Form und all den Lebensregeln, die haben nämlich wenig mit Leben zu tun.
X: Du schreckst weder in Deinen Texten noch in Deinem Leben abseits der Bühne vor schwierigen, gerne auch politischen Themen zurück. Hast Du diese Haltung aus Deinem Elternhaus mitbekommen?

MG: Nein, das habe ich vom Leben gelernt. Ich bin in den 60ern aufgewachsen. Ich hab’ die Zeit von Dr. Martin Luther King und Kennedy erlebt. Ich war zwar jung, aber ich war dabei, und das war laut und man kam gar nicht umhin, da viel mitzubekommen. Später, als ich dann nach Europa kam, habe ich viel über meine wirkliche Geschichte erfahren und warum das alles so gekommen ist. Und da war das Lesen in der Bibel natürlich recht wichtig. Man muss immer mit Genesis anfangen...
X: Oh, das ist ja dann die ganz alte „Auge um Auge“-Schule.

MG: Naja, ob das jetzt gerade „Auge um Auge“ ist, ich weiß nicht. Die Leute lesen viel und sagen noch viel mehr.
X: Du hast vorhin Deine Freundin erwähnt...

MG: Welche meinst Du denn?
X: Ich habe gelesen, dass Du Deine Freundin vor ein paar Jahren sogar geheiratet hast.

MG: Stimmt, aber ich bin mittlerweile wieder von Sabrina geschieden. Und ich will verdammt noch mal meinen Namen zurück! Mir war nicht bewusst, dass die meinen Namen behalten kann. Gottverdammich, gib mir meinen verdammten Namen zurück! (lacht)
X: OK, also verheiratet bist Du gerade nicht.

MG: Nein, aber ich hab’ eine neue Freundin, Christin Marquitan heißt sie. Eine deutsche Schauspielerin, sie spielt gerade in „Abbey Road“.
X: Wie sind Deine Erfahrungen mit dem Thema gleichgeschlechtliche Liebe und Partnerschaft? In Deutschland sind bekanntlich sowohl der Außenminister als auch der Oberbürgermeister der Hauptstadt schwul...

MG: Du redest über Berlin? Da ziehe ich bald hin! Ich habe da eine neue Wohnung; Anfang Mai, wenn die Tour vorbei ist, ziehe ich ein. Vielleicht wird ab da dann alles gut in meinem Leben. Und lesbisch hin oder her, wo auch immer ich war auf der Welt, ich war immer ich selbst. Und „gay“ sagt mir nur etwas in der ursprünglichen Bedeutung des Wortes, also fröhlich! Dieses doofe Gelaber über lesbische Liebe, das kommt auch wieder aus der Bibel. Es ist eben immer gut zu wissen, woher all die blöden Begriffe kommen.
X: Am Tag Deiner Hochzeit hast Du ja abends sogar noch ein Open-Air-Konzert gespielt und diesen Tag mit tausenden Fans geteilt.

MG: Naja, das war nicht gar so freiwillig. Ich war auf Tour und musste abends auf die Bühne. In meinem Beruf ist es nicht so einfach, mal eben einen Tag frei zu nehmen (lacht schallend). An sich kein großes Ding, ich hab’ geheiratet und bin später zur Arbeit gegangen.
X: Gab’s über die Jahre andere Shows, die Du als herausragend bezeichnen würdest?

MG: Nein, denn ich kann mich ans allermeiste einfach nicht mehr erinnern. (brüllt vor Lachen) Ich hoffe die nächsten fünf Jahre mit dem Vertrag bei der neuen Plattenfirma werden irgendwie herausragend und ich werde versuchen, mich an vieles zu erinnern. Aber in der Vergangenheit, also in den letzten 20 Jahren, gab es so viel Schlimmes, Leid und Abzocke, dass ich jetzt einfach nach vorne schaue. Ich hab’ so an die fünf Alben in der Hinterhand, die ich gerne machen würde. Ach was, alles in allem ist das genug für sechs bis sieben Platten, die ich in den nächsten fünf Jahren irgendwie unters Volk bringen möchte. Mir auch egal, ich mach’ einfach nur meinen Job. Ich arbeite nicht mehr bei McDonalds, da haben sie mich rausgeworfen, dann eben Musik!
X: Du hast tatsächlich bei McDonalds gearbeitet?

MG: Ach, ich habe so viel gemacht über die Jahre. Als Sängerin, klar, aber auch bei einer Securityfirma, ich hab’s als Polizistin versucht, an einem HotDog-Stand, bei Kentucky Fried Chicken und eben auch bei McDonalds, ich hab’ viel gesehen! Wobei ich mich eigentlich für recht normal halte, nur sieht das meine Umwelt nicht so. Nina Simone hat mir mal gesagt, „Du bist nicht normal, also hör endlich auf so zu tun als ob!“ Ich sollte also wohl eher eine Diva auf High-Heels sein, die Leuten in den Hintern tritt, krieg’ ich aber auch irgendwie nicht hin.
X: Na, dann üb’ mal fleißig weiter!

MG: Ja klar, mach ich! (lacht schallend)
X: Hast Du denn bestimmte Rituale, bevor Du auf die Bühne gehst?

MG: (lacht) Klar, einen Joint rauchen und ein Bier trinken, das ist das einzige Ritual, das ich habe. Mehr braucht’s auch nicht. Ich bin so glücklich dieser Tage, dass ich endlich eine verlässliche Band habe, mit der ich gerne zusammen bin und auch gerne zusammen esse. Früher war ich nie abseits der Bühne mit meiner Band zusammen und wollte ihre Fratzen auch nicht sehen. Jetzt sehe ich gerne meine Jungs, das sind tolle Leute, wir reden viel und haben auch viel Spaß. Und es ist in zwanzig Jahren auch zum ersten Mal so, dass ich sogar gerne in Interviews über sie rede.
X: Na, dann läuft doch vieles recht gut bei Dir. Ich drück’ die Daumen, dass das so weitergeht!

MG: Danke, Dir auch alles Gute!


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