Forschung mit Spielraum

Tonio Kleinknecht, der Intendant des Theaters der Stadt Aalen, hat die baden - württembergischen Theatertage nach Aalen geholt, die im Mai stattfinden werden. Zum Zeitpunkt des Interviews (Ende November 2022) strotzte das Programm bereits vor kreativen Ideen und diversen Höhepunkten. Schön, dass der vielbeschäftigte Mann sich Zeit für ein ausführliches Gespräch genommen hat und es vorher sogar noch die Möglichkeit zu einer kleinen Hausführung im KubAA (Kulturbahnhof Aalen) gab, unter dessen Dach mehrere
Kulturinstitutionen der Stadt ihre neue Heimat gefunden haben, unter anderem das Theater.

26. Baden-Württembergische Theatertage
19. - 28. Mai 2023
"Täglich Kunst"

XAVER: Herr Kleinknecht, Sie sind bald zehn Jahre Intendant in Aalen und haben in der Zeit bestimmt so einiges erlebt. Was waren denn die Höhe- und auch Tiefpunkte, die besonders in Ihrem Gedächtnis haften geblieben sind?


Tonio Kleinknecht: Über einen Tiefpunkt hatten wir bei der Führung eben ja schon kurz gesprochen, dass nach der feierlichen Eröffnung des KubAA eben direkt die Pandemie mit all ihren Schwierigkeiten besonders für den Kulturbetrieb kam. Ein großes Highlight war das 25-jährige Jubiläum des Theaters. Das ist jetzt sechs Jahre her, wo wir ein großes Projekt gemacht haben und damals noch die Ulmer Straße, was ja eine mit vielen Industriebrachen versetzte Ausgangsstraße ist, in einen „Boulevard Ulmer Straße“ verwandelt haben. Hierfür haben wir mit den ganzen Einrichtungen, von der Moschee über Kirche, über Stahlfabrik usw. zusammengearbeitet und dort in Räumen Aufführungen gemacht und auf diese Weise eben auch sehr unterschiedliche Leute ins Theater geholt. Was in Aalen sehr schön ist und durchaus auch schon Tradition hat, ist, dass die Leute auch neugierig sind auf ausgefallene Stoffe, Uraufführungen usw. und auf diese Weise dann doch auch jedes Stück zu seinem Publikum gefunden hat. Da ist also vieles möglich und da Theater für mich auch immer ein bisschen Forschung ist fühle ich mich da in Aalen auch sehr gut aufgehoben! Insofern freue ich mich, dass auch bei den Theatertagen viele Häuser Uraufführungen nach Aalen
schicken und wir auch mit der Fachzeitung „Theater der Zeit“ einen kleinen Stückemarkt veranstalten, bei dem Autor/-innen ihre noch nicht uraufgeführten Stoff e vorstellen.

X: Mit dem KubAA haben Sie jetzt auch ein tolles Haus mit vielen sympathischen Mitbewohnern – u.a. Musikschule und Kino am Kocher. Sind auch neue Kooperationen und Formate gewachsen seit man unter einem Dach untergebracht ist?


TK: Kooperationsprojekte gab es vorher schon, aber wir haben schon in der Bauphase einen „Nutzerstammtisch“ eingerichtet, weil wir gemerkt haben, dass wir unsere Bedürfnisse nicht kommuniziert bekommen. Und jetzt gibt es regelmäßig Tage der offenen Tür, wo dann überall etwas stattfindet. Ein Spielclub von uns beteiligt sich an einem großen Musicalprojekt zusammen mit Schülern der Gesangsklasse und des Balletts, was dann im Sommer in der Stadthalle aufgeführt wird. Da gibt es also immer wieder Kooperationen auf dem „kurzen Dienstweg“ und das ist sehr schön!

X: Vom 19.–28. Mai finden in Aalen die 26. Baden-Württembergischen Theatertage statt. Dieses landesweite Festival findet im Zweijahresrhythmus statt, war zuletzt vor einem Vierteljahrhundert in Aalen und in den zehn Tagen rückt die Stadt dann in den Fokus der Theaterwelt… Wie muss man sich das als Laie vorstellen, ist das ein engagiertes Ringen, wie z.B. bei der Landesgartenschau?


TK: Es ist im Grunde ja eine Werkschau der baden-württembergischen Theater. Und das ist dann natürlich mit einer großen Ehre, aber auch einen großen Aufwand verbunden. Es gibt dazu passende Fördermittel vom Land und dem deutschen Bühnenverein, aber auch die jeweilige Stadt muss bereit sein, Geld einzubringen. Und so war es natürlich auch durchaus eine Frage, ob man mit einem kleinen Haus wie Aalen so eine Herausforderung bewältigt, da hatten wir auch großen Respekt davor. Unser Konzept hat den Bühnenverein, der das letztendlich vergibt, offensichtlich überzeugt, und so finden die Baden-Württembergischen Theatertage 2023 in Aalen statt! …Nachdem sie 1995 schon einmal in Aalen zu Gast waren.

X: Eröffnet wird das Festival mit der Aalener Produktion „Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ nach Thomas Mann. Das ist eine Kooperation mit dem Schweizer Theater Academia Teatro Dimitri und eine Symbiose aus Schauspiel, Musik und Artistik. Ein weiteres Highlight wird gegen Ende des Festivals die „Woyzeck“-Kooperation mit den Opernfestspielen Heidenheim sein. Schön, dass hier auch zwischen großen, benachbarten Städten kooperiert und nicht konkurriert wird.


TK: Größere Stadttheater haben ja Oper, Tanz und Schauspiel als eigene Sparten und das hier in der Region erlebbar zu machen, dass sich das gegenseitig befruchtet, ist schon auch ein Ziel.

X: In diesen zehn Tagen wird dann aber wesentlich mehr geboten sein als diese beiden großen Produktionen, die wir eben angesprochen haben…


TK: Das sind die Eigengewächse, die wir mitbringen ins Festival, das unter dem Motto „Täglich Kunst“ steht. Es ist ja in Aalen nicht selbstverständlich, dass hier über 30 Produktionen von mehr als 20 verschiedenen Theatern in 10 Tagen zu sehen sind. Es ist so, dass sich die Kinder- und Jugendtheater hier zu einem einwöchigen Arbeitstreff en innerhalb des Festivals treffen. Dann sind dann ca. 100 Mitarbeiter/-innen aus den Kinder- und Jugendtheatern Baden-Württembergs eine Woche lang wirklich hier in Aalen, so dass es jeden Tag ein, zwei Kinderproduktionen geben wird, die sie auch gegenseitig ankucken und besprechen. Für die Abendspielzeit ist es natürlich nicht möglich, dass alle Theater für zwei Wochen nach Aalen kommen (lacht), das geht nicht. Aber die schicken verschiedene Produktionen, durchaus auch die großen Bühnen aus Stuttgart, Karlsruhe, Ulm und Konstanz; da wird eine Vielzahl an Produktionen, auch von kleineren Bühnen, zu sehen sein. Man kann also schon sagen, dass man jeden Tag mindestens drei verschiedene Sachen sehen kann. Ob nun hier bei uns oder in der Stadthalle und dem alten Rathaus.

X: 30 Produktionen aus baden-württembergischen Theatern werden in den zehn Tagen an fünf Spielorten gezeigt. Zieht so ein Festival dann auch viel überregionales Publikum an, oder geht es darum, das Publikum der Region zu aktivieren?


TK: Da bin ich selbst gespannt, wie das sein wird. Bei den größeren Produktionen wird da schon auch Publikum von weiter weg kommen, aber ansonsten sind wir auch dran, die Leute vor Ort mitzunehmen. Das ist die zweite große Herausforderung, abgesehen davon, dass wir nicht so viel Leute haben, dass man auch unter der Woche z.B. eine Stadthalle mit 600 Plätzen so füllt, dass es Spaß macht. Und da sind wir mit vielen Kulturämtern im Landkreis im Gespräch. Und wir haben die Idee der „Theaterlotsen“ entwickelt, d.h. wir suchen Leute, die Lust auf Theater haben und als Multiplikatoren wirken können. Ob das nun Volkshochschulgruppen, Musikvereine oder z.B. auch die Theatermenschen aus Ellwangen sind, die sich schon bereit erklärt haben, uns zu unterstützen. Die bekommen von uns eine spezielle Einführung und einen reduzierten Preis, so dass sie schöne Pakete schnüren können und wir möglichst viele Gruppen ansprechen. Im Vorfeld der Aufführungen soll es auch immer andere musikalische Begrüßungen durch verschiedenste Gruppierungen aus der Region geben.

X: Das hört sich jetzt schon nach einem ganz fantastischen Leckerbissen und Kulturhighlight an und ich freue mich schon aufs Festival!


TK: Wir sind zuversichtlich, dass wir die Ostalb mobilisieren können und sich die Leute freuen, dass mal zehn Tage lang wirklich viel geboten ist. Wenn dann die Rahmenbedingungen und das Wetter noch mitspielen, dann wird das richtig schön!


Tickets: Der Vorverkauf hat bereits begonnen an der Theaterkasse im Alten Rathaus
www.theatertage-bw.de, kasse [bei] theateraalen [punkt] de




(Text: Tom, Foto: Gina Maksan / Theater der Stadt Aalen)


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