Der katholische Atheist: Manfred „Manne“ Arold
Getreu dem Motto „Wenn das Leben Dir Zitronen schenkt, mach Limonade draus!” hat der Aalener Musiker Manfred „Manne” Arold die Pandemie-Zwangspause genutzt, um über die Jahre gesammelte Fragmente in sein erstes Soloalbum zu verwandeln. Sonst ist er Teil der einzigartigen Herrn Stumpfes Zieh & Zupf Kapelle, als Solokünstler firmiert er unter dem Namen Fred. Das wunderbare Album „Mag woher der Wind“ wird an anderer Stelle im Heft besprochen, an einem hochsommerlichen Vormittag Mitte Juni hat er sich aber ausgiebig Zeit genommen, um dem XAVER auf seinem idyllischen Balkon im Aalener Umland Rede und Antwort zu stehen. Und es gab tatsächlich die eingangs erwähnte hausgemachte Zitronenlimonade und den (tatsächlich, ich schwöre! Anmerk. D. Verf.) besten Kaffee diesseits der Alpen…
Nach leidenschaftlichem Plaudern über Kaffee (getreu dem Wiglaf Droste-Motto „Schaumscheiß, nein danke!“) und
Brezeln („muss frisch sein und sollte mehrere Konsistenzen, also etwas Knuspriges und etwas Weiches haben“) biegen
wir irgendwann in Richtung des eigentlichen Anlasses ab…
entschieden und mit ihm Dein erstes Soloalbum gemacht – wie kam´s dazu?
Manfred „Manne“ Arold: Ausgangspunkt war ein Liveauftritt in Laubach im letzten Jahr, wo ich mit Jakob gespielt habe. Und so kam dann eins zum anderen und er hat sich bei dem Album als Bassist, Tontechniker und Tausendsassa eingebracht.
Er war eine Zeit lang in der Welt unterwegs, hat in Leipzig studiert und ist dann aber nach Aalen zurückgekehrt und ist jetzt u.a. als Künstler mit dem Kollektiv K e.V. aktiv. Schön, dass er wieder da ist, ich hab ihn gern um mich.
F: Ich wollte einen Bezug zu meinem eigentlichen Namen haben, ich heiß ja Manfred Arold. Und ich hab schon ganz lange die beiden letzten Silben der Namen als E-Mailadresse, also, „oldfred“. Der erste Gedanke war also Oldfred wäre doch auch gut, dann wollte ich mich aber doch nicht sooo alt machen (lacht). Wenn ich das Geschäft noch weiterhin betreibe, dann hab ich irgendwann immer noch die Möglichkeit, die „Oldfred“-Phase einzuleiten.
F: (lacht) Nein, das nun nicht, aber so kann das auch von jemand ausgesprochen werden, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist.
und dem Album beschäftigt und es noch einige Mal mehr gehört, und erst dann ist mir das eigentlich Offensichtlichste aufgefallen: Die Texte sind auf Hochdeutsch und teilweise sogar auf Englisch. Wie kam das denn?
F: Das war jetzt keine bewusste Abgrenzung zu den Stumpfes, sondern das ist… einfach so passiert! Die Texte waren dann eben so. Bei der Auswahl der Stücke für die CD habe ich mich gegen zwei Stücke entschieden, die zwar nicht in den Stumpfes-Kosmos gepasst hätten, aber eben in Mundart waren. Mir war im Vorfeld auch wichtig, wie die Jungs drüber denken, dass ich jetzt dieses Album mache. Ich hab mich dann gefreut, dass die Idee bei ihnen gut ankam und sie es eher als Bereicherung empfinden.
F: Stimmt, hat noch keiner gemacht…
F: (lacht) Kucken wir mal – vielleicht sitzen sie jetzt alle schon zuhause und werkeln.
F: Man zählt bei den Fanta 4 ja immer die drei Namen auf, und dann heißt es immer „und der andere“ (lacht)
F: Was ich bei denen ja auch schon immer interessant fand: Das sind vier unterschiedliche Typen, die sich optimal ergänzen. So entsteht zwar Reibung, doch jeder weiß vom anderen, wo die Schmerzgrenzen sind.
F: Und so ist das bei den Stumpfes, und ich vermute mal, auch bei den Fanta 4: Da macht jeder auch irgendwie sein Ding, aber wenn die zusammen sind, dann können die einfach gut miteinander!
F: Ursprünglich war es ja so, dass sich über die Jahre einfach etwas Material angehäuft hatte. Weil ich ja schon immer Musik auch für mich mache, also sehr egoistisch eigentlich. Vieles davon landet dann auch bei den Stumpfes, aber ein paar Stücke waren dann eben einfach inniger, vielleicht auch mal intimer und jedenfalls nicht so extrovertiert. Und in der Pandemiepause habe ich mir dann gedacht „Komm, wenn nicht jetzt, wann dann!?“. Da gab es schon seit Jahren diese Idee in meinem Kopf, dass ich mich um die Songs – die immer wie ein neues Leben in diese Welt schneien – kümmere,
sie großziehe, um sie auf den Weg nach draußen zu geben. Doch wenn man sich dann mal dran macht und sich damit beschäftigt, dann nimmt das schnell eine ganz eigene Dynamik und Fahrt auf. In der Rückschau ist es sogar so, dass
die allermeisten Sachen auf dem Album dann doch zum großen Teil neu entstanden sind. (lacht)
F: Ja, schon. Am Anfang hatte ich natürlich eine ganz andere Auswahl im Kopf. Das hat sich dann aber geändert, eben weils auch kein statischer, sondern ein dynamischer Prozess ist.
F: Also die „Textschublade“ in dem Sinn, dass ich schon einen kompletten Text habe, das hab ich selten. Aber dass vorher eine Thematik da ist, zu der dann die Musik entsteht, das schon…
F: So mache ich das schon auch, dass ich mir also Fragmente oder auch Stimmungen festhalte.
F: In Notizbüchern. Ich finde das auch einen wichtigen und besonderen Prozess, etwas mit der Hand zu schreiben. Wenn ich etwas am Computer schreibe, dann passiert etwas anderes, als wenn ich das von Hand schreibe. Das hat Auswirkungen auf die Wortwahl und auch auf den Fluss… man geht in eine andere Resonanz mit dem Medium.
F: Das war so ein kleines Hin- und Her. Nehm ich das Schlagzeug, nehm ichs nicht? Es gab also eine erste Grundstruktur ohne Schlagzeug, dann hab ich ein bisschen was mit Schlagzeug probiert. Bin dann aber wieder davon abgekommen, weil mir das zu… (überlegt) …es hat es einfach nicht bereichert, würde ich sagen. Vordergründig hätte das vielleicht für noch mehr Zusammenhalt gesorgt, aber ich hab das dann lieber übers Arrangement gestaltet. Mit diesem üblichen Schlagzeug-Bass-Fundament hat man natürlich schnell ein stabiles Grundgerüst, aber ich finds nicht unbedingt das interessanteste Rezept. Statt Percussion wurde dann eben manchmal lieber eine zweite Gitarre eingesetzt.
F: (freut sich) Ja, genau. Bei dem einen Stück („Wo ich meine Liebste fand“, Anmerk. D. Verf.) fand ich die Idee einfach so toll, da hatte ich die Harmonien und die Melodie und da gings mir dann einfach um die eine Textzeile, die ich im Kopf hatte. Und da hatte ich eine bestimmte Stimmung im Kopf und wusste ganz genau, wo ich hinwill. Und dann habe ich ein Loop-Lied gemacht. Das habe ich hier draußen aufgenommen und man hört nur die Stimme und die Hintergrundgeräusche um meine Bleibe rum. Und diese 22-sekündige Text-Phrase wiederholt sich mehrfach und es passiert immer etwas anderes dazu.
F: Meinst Du jetzt bei den Aufnahmen oder allgemein?
F: Diese schwarzen Phasen gibt’s immer noch, wo man dann so dystopische Gedanken hat, aber ich hab allgemein eine optimistische Grundstimmung, aber man könnte vielleicht sagen, dass ich ein pessimistischer Optimist bin. So wie ich mich auch als katholischen Atheisten bezeichne (lacht). Aber bei der Arbeit an dem Album selbst war Corona gar kein Thema.
F: Naja, der Rest egal... so ists auch nicht. Aber es gibt ja immer ein Ende des Tunnels, ein Licht am Horizont und jede Krise, egal wie groß, geht irgendwann vorüber! Und das ist der optimistische Ansatz im letzten Lied.
F: Das gabs tatsächlich auch. Aber eher so Überlegungen in eine andere Richtung… Ursprünglich gabs hier ja fast nix (zeigt von seinem Balkon in die Umgebung), ich hab diese Wiese, auf der heute das Haus steht, nach der Trennung von
meiner Frau gekauft. Und zwar nachts um zwei im Wunderlich (legendäre Kneipe in Aalen, Anmerk. D. Verf.) per Handschlag von einem Bekannten. Dann habe ich mir bei ebay einen gebrauchten Zirkuswagen ersteigert, der immer noch unten im Garten steht, und in dem habe ich dann zwei Jahre und drei Winter gelebt. Und das war die totale Reduktion
aufs eigentlich Wichtige: Wärme, Wasser, Essen. Und durch Corona kam dann eben wieder die Überlegung, vieles wieder zurückzufahren. Auch in die Richtung, noch mehr Selbstversorgung zu betreiben, wir bauen also z.B. noch mehr Lebensmittel selbst im Garten an. Zurück zum Wesentlichen quasi.
F: Hach, kuck, das ist mir jetzt gar nicht so bewusst…
F: Tatsächlich gings mir um die Stimmung, die das Album beginnen und auch wieder abschließen soll. Ich finde es auch schade, dass die Entwicklung mit diesen ganzen Streamingdiensten usw. sich so weg vom Album bewegt. Alles muss
schnell und kurz sein usw.
F: Hach, es war einfach schön. Natürlich gabs Abstands- und Hygieneregeln und wir haben auch durchgespielt und nicht wie sonst eine Pause gemacht – das war von Veranstalterseite so gewünscht. Aber es war einfach so schön; auch
danach gemeinsam mit Band und Crew beim Spanier zu sitzen und Tapas zu essen, wir waren so glücklich!
F: Da kann ich mich noch gut daran erinnern! Eine neue Erfahrung - immerhin. Doch mit Autos als Publikum in Resonanz zu kommen ist schlicht unmöglich. Deswegen blieb es auch unser einziges Autokonzert.
F: Na, das wär mal was. Der erste Wunsch wäre: Alle Menschen werden sich darüber gewiss, dass alles „Eins“ ist und deswegen alles mit allem verbunden ist. Das hätte zur Folge, dass sich alle Menschen ihrem Gegenüber - sei es Mensch, Tier, Pflanze, Umwelt - respekt- und liebevoll begegnen würden. Wow, das wär was! Eigentlich wär’s das schon. Na ja, als zweiten Wunsch vielleicht noch eine abendliche gekühlte leichte Weißweinschorle in angenehmer Gesellschaft gegen diese momentane Hitze. Und der dritte Wunsch wär natürlich,dass ich ab sofort unendlich viele Wünsche haben
werde…