Der Genießer bleibt am Ball: Klaus Doldinger
Es ist doch immer wieder bezeichnend, dass ausgerechnet die Leute, die sich auf ihr Schaffen etwas einbilden könnten, das nicht tun. Manches Sternchen gibt nach der ersten Singleproduktion schon die affektierte Diva in gefühlter Madonna-Liga. Bei Klaus Doldinger sucht man derartiges Verhalten vergeblich. Selten so ein freundliches, aufgeschlossenes und fröhliches Gegenüber am Telefon gehabt. Dabei hat er als Saxofonist und Jazzmusiker national und international alles erreicht. Und sein Schaffen als Filmkomponist kennt nun wirklich jeder, denn er ist nun mal der Mann hinter der Tatort-Erkennungsmelodie und beispielsweise für Filmmusik von „Das Boot“ und „Die unendliche Geschichte“ verantwortlich. Im Mai gastiert Doldinger mit seiner weltbekannten Jazz-Formation Passport in Heidenheim und um den Frühlingsanfang herum nahm er sich Zeit für ein Gespräch mit dem XAVER.
Klaus Doldinger: Ich bin gerade von einem Spaziergang in der Sonne in meinem Heimatort nach Hause zurückgekommen.
KD: Genau, das ist zwischen Starnberger See und Isar.
KD: Ach, weiß ich nicht. Mag sein, dass das manche Leute so sehen, aber man kennt hier Gott und die Welt, wir haben eine Dorfmusi, und wir wohnen ja auch schon vierzig Jahre hier! Das ist ja eine Dorfgemeinschaft mit Bauern und Ärzten, alles Querbeet.
KD: Also nicht wissentlich, darüber bin ich auch froh, denn das hätte ich komisch gefunden. Ganz in der Nähe, im sogenannten Hollerhaus, wurde lange Jahre „Der Bulle von Tölz“ gedreht, da haben dann öfter mal Leute gefragt, wie sie da hinkommen. Aber vielleicht wird es hier ja später, nach meinem Ableben, den ein oder anderen geben, der gerne mein Studio sehen möchte.
KD: Nein!
KD: Ja, wenn es wie in diesem Fall ein Land- oder Erdteil ist, den ich noch nicht kenne, ist das umso mehr ein Anlass da hinzureisen. Ich bin immer gerne unterwegs gewesen und das ist bis zum heutigen Tage so.
KD: So was ergibt sich oft. Bei vielen meiner Tourneen war ja das Auswärtige Amt oder das Goetheinstitut involviert, und dann gibt’s vor Ort immer Leute, die sich auskennen und die einen einladen, hier und da etwas zu besichtigen. Und das finde ich eigentlich ganz schön. In diesem Fall überschneiden sich unsere Konzerte auch mit einem Filmfestival und so werden wir „Das Boot“ in der Kinofassung vorführen. Da werde ich dann einen Vortrag bzw. so eine Art Workshop für Interessenten von Filmmusik halten.
KD: Naja, Baden-Württemberg. Ich habe immer schon gern in der Region gespielt. Zuletzt waren wir ja letztes Jahr auch wieder für ein Festival in Stuttgart. Innerlich ist man natürlich mit allen Regionen Deutschlands verbunden, aber Baden-Württemberg war für mich immer etwas Besonderes, weil meine Eltern ja in frühen Jahren in Stuttgart gelebt haben. Wir haben über die Jahre immer wieder da gespielt, in der Liederhalle beispielsweise. Vor zwei Jahren haben wir auch mal in Gammertingen gespielt, da stammt ein Vorfahre von mir her, und so war auch das etwas Besonderes, wenn die Familienwurzeln so in unmittelbarer Nähe präsent sind.
KD: Ja, jetzt nach Neuseeland schon, aber normalerweise bei kleineren Sachen nicht, denn sie hat ja hier auch eine Menge zu tun. Meine Frau malt und kümmert sich um den Haushalt. Mein Leben sähe ohne meine Frau völlig anders aus. Sie hat ihr eigenes Leben und insofern kann es gar nicht sein, dass sie immer mit dabei ist, sie ist ja auch nicht meine Agentin.
KD: Sie hatten alle Unterricht. Anfangs Klavier, aber unsere ältere Tochter hat sich später dann für die Gitarre entschieden.
KD: (lacht) Ja, aber ich muss sagen, wir haben das nie im eigentlichen Sinne gepflegt. Aber ich sehe es natürlich mit Freude, wenn die Musik auch im Leben unserer Kinder eine besondere Rolle spielt.
KD: Ach, das war eigentlich gar kein Stipendium. Nach dem Eintritt in die höhere Schule wurde ich auch am Robert-Schumann Konservatorium in Düsseldorf als Liebhaberschüler aufgenommen. Die brauchten wohl einen jungen Menschen, der bei Prüfungen der Absolventen zum Musikschullehrer als Schüler eingesetzt werden konnte, und ich habe das sehr gerne gemacht. Ich habe dann zehn Jahre während meiner höheren Schulzeit auch das Konservatorium besucht. Das war sowohl Entspannung als auch Bereicherung für mich. Diese Jahre waren natürlich sehr wichtig für mich, dass ich neben der Schule und dem Sportverein eben die Möglichkeiten hatte, mich musikalisch weiterzubilden.
KD: Nein, das kannte man ja noch nicht. Ich bin ja in Wien zur Volksschule gegangen und da gab’s noch gar keine Musikstunden. Das hat erst später auf der höheren Schule begonnen, da hatte man auch Musiklehrer und hat gesungen usw.. Im Konservatorium dann sowieso; dort habe ich dann Klavier studiert, war aber auch im Chor und habe später sogar mal anderthalb Jahre Klarinette studiert. Dieses und jenes halt. Aber der entscheidende Punkt war dann, dass ich 1952 schon ganz früh einige Mitstreiter der späteren Jahre kennenlernte. Das waren alles frühe Begegnungen und die fanden ab 1952 in Düsseldorf statt.
KD: Das war eigentlich ein Traum. Wir wurden eingeladen, wir waren ja Siegerband, und zwar nicht nur diese Dixieland-Band, sondern auch mein Jazz-Trio Oscars. Und in dieser Konstellation sind wir zwei Wochen durch die USA gereist und haben überall gespielt. Das war großartig und eine enorme Bereicherung. Denn das gab’s damals ja an sich gar nicht, dass man einfach mal in die USA flog und dort Musik machte.
KD: Ja, was heißt Prominenz, wenn man sich das anschaut, dann haben diese Prominenten ja nicht sooo viele Vorteile, ich reiße mich nicht um diese Rolle. Sachbezogene Kenntnis oder Bekanntheit ist dann wieder ein anderes Thema. Ist schon schön, wenn Leute gewisse Projekte kennen. Aber man muss ja auch realistisch erkennen, dass der Jazz im Ranking der Bewertung in Deutschland oder auch im Allgemeinen nicht so weit oben rangiert. Das hat gewiss viele Gründe, Jazz ist weitestgehend eben doch instrumentale Musik und wenn man das Radio anmacht, was hört man? Vokalmusik! Wenn man dann aber gewisse Projekte gemacht hat, die in meinem Fall auch oft weit abseits des Jazz sind, dann zeigt sich, dass ich natürlich bekannt bin, aber eben nicht durch den Jazz. Und das stört mich auch nicht weiter, ich habe meinen Output gefunden und bin sehr glücklich damit.
KD: Das ist lange her und war auch ein langwieriger Prozess. In den 60er Jahren lebte ich noch in Düsseldorf und da gab’s eine Anfrage für diese Ufa-Werbefilme, wofür mich ein Zeichentrickmensch unbedingt als Klarinettisten haben wollte. Das war wohl so der eigentliche Anfang, aber das war ein Prozess, der ging mindestens acht, neun Jahre. Da kam es immer mal wieder zu Begegnungen mit Leuten, die ich interessant fand und die mich auch interessant fanden.
KD: Das war früher so, dass man in den Schneideraum musste. Mit den heutigen Möglichkeiten ist das aber ganz anders. Ich bekomme im Wesentlichen ein Drehbuch geschickt, meist auch schon einen Rohschnitt des Films mit Ton und allem Drum und Dran. Später kommt der Feinschnitt, bei dem man sich dann auch stark mit dem Regisseur und der Produktion und deren Vorstellungen beschäftigt. Dann entwickle ich meine Ideen und dann wird aufgenommen!
KD: Sie meinen Udo Lindenberg, und ja, der saß bei der ursprünglichen Version am Schlagzeug. Aber das waren ja nur die frühen, die ersten zehn Filme. Danach haben wir die Titelmusik dann nochmal neu aufgenommen, ich glaube in der Passport-Besetzung von 1977.
KD: Ja, doch. Den ein oder anderen schaue ich mir an; es hängt natürlich immer von der Besetzung ab - das Team mit Jan Josef Liefers sehe ich immer gerne.
KD: Diese Auszeichnungen sehe ich immer auch als Herausforderungen. Beim nächsten Konzert, auf der Bühne - was für mich ja die Stunde der Wahrheit ist - da dann auch das zu leisten, wofür man ausgezeichnet wurde. Das treibt mich nach wie vor an, auf gut Deutsch, am Ball zu bleiben.
KD: Ja, sehr anregend. Der normale Musiker beschäftigt sich ja mit diesen Themen gar nicht. Ich habe ja auch 30 Jahre als GEMA-Mitglied verbracht, ohne mich groß darum zu kümmern. Das ist aber eine hochinteressante Thematik, und zwar gerade heute, wo das Urheberrecht ja im Blickpunkt der Öffentlichkeit steht, ist es eine wirkliche Herausforderung. Der Austausch von Meinungen und Ideen ist sehr wichtig in diesem Gremium.
KD: Ja, doch, doch. (man sieht ihn förmlich durchs Telefon schmunzeln, Anmerk. D. Verf.). Das war super und es gibt gar keinen Anlass, da in irgendeiner Weise frustriert zu sein.
KD: Ich danke. Ihnen auch alles Gute! Und erwähnen Sie doch gerne auch noch meine Bandkollegen bei Passport. Das sind ja teilweise auch Musiker, die schon über zwanzig Jahre mit mir Musik machen, wie mein Gitarrist Peter O‘Mara oder Biboul Darouiche (Percussion) und Patrick Scales (Bass). Ich finde das ganz toll, dass diese Band mit immer wieder so fantastischen Musikern so lange Bestand hat!