Böse Blicke in der Blase: Agnes Obel
Die dänische Singer-Songwriterin und Pianistin Agnes Obel veröffentlicht gegen Ende Oktober ihr drittes Album „Citizen Of Glass“. Sie spielt schon seit Kindesbeinen an Klavier sowie diverse andere Instrumente und wurde 2009 fast unfreiwillig bekannt, als ein großer deutscher Telekommunikationsanbieter ein Stück von ihr in einem Werbespot verwendete. Bevor sie dann auch in Deutschland im Oktober auf Tour geht, hatte XAVER die Gelegenheit mit ihr am Telefon zu sprechen. Obel ist genau wie bei ihrer Musik, kein lauter Mensch und genießt es auch nicht sonderlich im Rampenlicht zu stehen. Im Interview ist sie anfangs recht zurückhaltend, spricht leise und ernst. Je mehr sie aber über ihr Album und ihre Leidenschaft Musik sprechen kann, umso umgänglicher wird sie.
Agnes Obel: Das weiß ich gar nicht so genau. Das ist irgendwie bislang immer so gewesen, wenn mein neues Album fertig war, dann ging es an verschiedene Orte, um es zu promoten. Los ging es in Deutschland, dann in andere Länder und am Schluss nach New York, ein paar Radiokonzerte gab es auch noch.
AO: Ja, genau. Ich habe da bereits zwei Mal gespielt und freue mich auf mein drittes Mal.
AO: Klar, es ist schon irgendwie spannend zu sehen, wie es angenommen wird. Ich habe keine Ahnung, wie es laufen wird und das ist natürlich schon ein bisschen aufregend.
AO: Es stand zunächst diese Idee von Spiegelungen im Raum. Das Bild wurde dann mit einer Prisma-Linse gemacht, was zu diesen Verschiebungen und Verzerrungen geführt hat.
AO: Der Künstler ist mein Freund, ach was sag ich, mein Mann, wir sind ja verheiratet. Er hat schon in der Vergangenheit die allermeisten Fotos, Artworks und Videoclips von mir gemacht. Er hat schon eine ganze Weile mit diesen Prisma-Linsen herumexperimentiert und das bot sich ganz offensichtlich für das neue Artwork an. Und auf dieses Bild konnten wir uns dann beide einigen.
AO: Der „gläserne Mensch“ war es.
AO: Ja … (überlegt lange), ich finde, es ist wichtig, dass wir uns dessen alle bewusst sind und darüber nachdenken. Außerdem finde ich es wichtig, dass wir uns als menschliche Wesen alle unsere persönlichen Geheimnisse bewahren und eben nicht alles offengelegt wird. Ich meine sogar, es ist ein individuelles Recht, dass man einen gewissen Grad an Privatsphäre hat.
AO: Ganz ehrlich? Ein Teil von mir mag diesen ganzen Promo-Aspekt meiner Arbeit überhaupt nicht. Eigentlich ist das sogar der Aspekt meiner Arbeit, den ich am wenigsten mag und am liebsten komplett streichen würde. Aber man muss, gerade in den sozialen Netzwerken ja auch nicht alles preisgeben. Aber weißt Du, auf der anderen Seite gibt es kaum noch Musikjournalismus. In den dänischen Zeitungen findet das kaum noch statt und man muss irgendwie dankbar sein, dass da an anderer Stelle noch Interesse vorhanden ist. Der Vorteil von sozialen Netzwerken ist der direkte, ungefilterte Kontakt zu den Leuten, die deine Musik hören. Dadurch, dass es immer weniger ernsthaften Musikjournalismus gibt, wird das immer wichtiger. Ich weiß gar nicht so recht, wie das in Deutschland ist. Wenn ich da eine Zeitung kaufe, dann steht da wenig über Musik drin …
AO: Das ist schön zu hören! Ich benutze privat nur recht selten soziale Netzwerke, versuche es aber als Künstler zu nutzen - auch, wenn ich das nicht gerade supergut kann. Manchmal ist dieser ungefilterte Kontakt auch sehr gut, man hat die Möglichkeit, direkt reagieren zu können. Abgesehen davon wäre ich mit meiner Musik heute nicht da, wo ich bin. Ohne MySpace hätte ich damals wohl keinen Plattenvertrag bekommen.
AO: Doch, das mag ich schon. Obwohl ich in vielen Bereichen eher die Arbeit im Studio bevorzuge, wo ich für mich allein, in meiner „Blase“ kreativ sein kann. Aber diese Konzert-Situation ist schon ein interessantes Phänomen. Von einem zum nächsten Moment entgleitet einem die Kontrolle, dein Schicksal liegt in den Händen so vieler Leute und es kann so viel technisches Zeugs schief gehen. Wenn aber alles funktioniert, dann kann es richtig fantastisch werden. Nach Jahren abgekapselt im Studio ist das schon auch schön zu sehen, wie es dann klappen kann, aber wie wunderschön und gleichzeitig flüchtig Musik auch wieder ist. Es ist nicht zu 100 Prozent das, was ich bin und wo ich mich wohlfühle, aber es ist schon ein tolles Gefühl. Und es ist für mich als Musikerin wichtig, es zu tun und faszinierend, wie alles immer wieder ineinandergreift, die Stimme, die Musik, die Leute und der Raum.
AO: Ja, klar. Ich war da als kleines Kind mit meiner Mum. Sie war mit dieser dänischen Band befreundet, in der nur Frauen spielten; Miss B. Haven hießen die. Die waren in den 80ern und zu Anfang der 90er richtig bekannt in Dänemark. Das muss wohl so 1992 gewesen sein, ich war damals elf Jahre alt. Ich fand alles unglaublich cool und wir waren nach dem Konzert noch backstage.
AO: (Überlegt wieder lange) Ja, doch, es war ein langer Prozess. Ich habe ja bereits 2014 mit der Arbeit am Album begonnen und hatte diese Vorstellung von Glas und Transparenz. Ein Freund von mir brachte mich dann auf das Trautonium, ein Instrument, das als Vorläufer des heutigen Synthesizers gilt. Da es nur sehr wenige davon gibt, muss man sich selbst eines bauen, wenn man es spielen möchte. Wir fanden jemanden in Süddeutschland, der ein Originalgerät und eine Bauanleitung besaß und nach einem Jahr hatten wir dann unser Trautonium. Auch sonst kamen viele neue Instrumente dazu. Am Ende der letzten Tour kam ich dann um die Weihnachtszeit nach Hause und begann mit all den neuen Instrumenten herumzuexperimentieren. Ich wollte ein Album machen, das sich im Kopf einer Person abspielt; in dem Fall hauptsächlich in meinem. Es ging nicht so sehr um ein bestimmtes Genre, es ging um verschiedene geistige Zustände. Meine Stimme, die Instrumente und die Produktion, alles sollte das irgendwie widerspiegeln.
AO: (lacht) Wow, das freut mich, dass Du das so siehst. Ich mag den Clip auch sehr.
AO: Ja, schon. Wir waren sogar auf derselben Schule.
AO: Das nicht, er war einer der „großen“ Jungs und vier, nein fünf Klassen über mir und ich habe nie richtig mit ihm gesprochen. Seine Band ist sehr bekannt in Dänemark. Wir haben das gleiche Management und trafen uns bei Konzerten in Dänemark und in Berlin. Wir haben uns unterhalten und ich mochte die Animation sehr, die er immer für die Mew-Konzerte kreierte. Als es dann um den Clip ging, fiel er mir ein und ich bin glücklich und auch ein bisschen stolz, dass er den Clip gemacht hat.
AO: Vielleicht. Wir sind noch mittendrin in der Planung für das Licht und die Liveshows.
AO: Das entscheide schon hauptsächlich ich. Ich lege Wert darauf, dass das nette Leute sind, das mag jetzt etwas lächerlich klingen, aber mir ist es wichtig, dass wir alle gut miteinander auskommen und gute Stimmung herrscht. Ich habe Lisa früher schon kennengelernt und freue mich, sie bei uns zu haben.
AO: Soweit ich weiß, macht das L.A. Salami …
AO: Ja, genau (lacht). Das ist ein ganz toller britischer Gitarrist mit einem ganz eigenen Stil; ich freue mich sehr auf die Shows.
AO: Ich persönlich würde das sehr gerne spontan handhaben und viel variieren, aber die Musiker, mit denen ich unterwegs bin, sind meist total dagegen. Wir benutzen z.B. Live-Loopings, das ist alles recht kompliziert und man hat da ganz bestimmte Einstellungen. Bei einem Song ist das vielleicht etwas lauter als beim anderen … die können mit der Loopstation regelrechte Orchester-Sounds erschaffen. Wenn ich also von der vorher besprochenen Setlist abweiche, dann hassen mich meine Mitmusiker und werfen mir böse Blicke zu (lacht). Ich lasse das also lieber!
AO: Ich mag Deutsch als Sprache allgemein sehr, besonders, wenn es gesungen wird, z.B. bei Schubert-Liedern. Ich mag es, neue Sprachen kennenzulernen und zu sehen, wie sie sich unterscheiden, aber manchmal auch viele Gemeinsamkeiten haben. Auf Deutsch kann man einfach sehr gut ernst sein. Für mich ist es auch total einleuchtend, dass viele Opern in der deutschen Sprache gesungen werden. Und um auf Deine Frage zurückzukommen: Mein Lieblingswort ist „der Leiermann“. Welches es im Dänischen übrigens genauso gibt. Vielleicht mag ich das Wort aber auch so, weil es im Wim Wenders-Film „Himmel über Berlin“ vorkommt.
AO: Du meinst Wörter?
AO: (Überlegt) Ach, da gibt es so einiges. Einerseits viele Sachen, die ich sehr mag, andererseits dann auch wieder Sachen, die mir nicht so gefallen. Mir gefallen die Kultur und die Ernsthaftigkeit. Zum Beispiel finde ich die Tagesschau richtig gut, weil da ein wichtiges Thema entsprechend ernsthaft präsentiert wird - in Dänemark gibt es das so nicht. Andererseits habe ich es nicht so mit der Bürokratie. Ich habe mein Studio daheim umgebaut und hatte viel mit Baugenehmigungen usw. zu kämpfen. Aber wer weiß, ob das so deutschlandtypisch ist, ich habe das in Dänemark noch nie versucht!