Pudelwohl: Y'Akoto
Jennifer Yaa Akoto Kieck, besser bekannt als Y’Akoto, wurde in Hamburg geboren, verbrachte ihre Kindheit aber in Ghana und dann einen Teil ihrer Jugend in Kamerun, Togo und dem Tschad. Zurzeit pendelt sie zwischen Hamburg, Lomé (die Hauptstadt von Togo, Anmerk. d. Verf.) und Paris. Mit gerade mal zwei Alben und einer unvergleichlichen Soul-Stimme in der Hinterhand hat sie mit ihren 26 Jahren bereits ordentlich Staub aufgewirbelt. Seit sie 13 Jahre alt ist, steht sie auf der Bühne und probierte sich in diversen Genres u.a. Elektro, Rock und Reggae. Bei einer Sendung des NDR wird sie dann entdeckt, landet prompt im Vorprogramm von Erykah Badu und bekommt einen Plattenvertrag beim Branchenriesen Warner. Schon auf der Debüt-EP überzeugt sie mit charakteristischem Sound und tiefsinnigen Texten u.a. über einen Kindersoldaten. Sie produziert zusammen mit Max Herre, Roberto di Gioia und Ben Column (dem Bruder von Jamie!) und anderen. Ihr zweites Album verpasste die Top10 der Albumcharts vor ein paar Wochen nur ganz knapp und Anfang Dezember kann man sie endlich mal wieder in Stuttgart erleben. Beim Interview überrascht sie als selbstbewusste, bescheidene, smarte und hanseatisch-humorvolle junge Lady. Aber lest selbst!
Y’Akoto: Ach, das mit der Nervosität ist schon vorbei, weil ich kürzlich in Paris geprobt habe und das ganz gut gelaufen ist.
Y: Ja, schon, ohne Lampenfieber geht’s nicht, das gehört dazu.
Y: Oh, das wusste ich noch gar nicht; aber wenn schon zwei Shows dicht sind, dann läuft’s tatsächlich gut. Wobei es mir schon wichtig ist, dass alle Shows halbwegs gut besucht sind. Wenn also eine moderate Masse an Menschen kommt, das wäre schon schön!
Y: Ist das das mit dem Schuh? Wo Schokolade reinkommt? Das hat meine Mutter doch auch gemacht! (lacht)
Y: (überlegt) Nö! Also ich habe da ein paarmal gespielt und ich glaube, dass auch einer meiner Produzenten ursprünglich aus Stuttgart kommt.
Y: Ich freue mich auf alle Konzerte und vor allem auf die Leute, die zu den Shows kommen. Ich kann mich an ein besonders cooles Konzert in Stuttgart bei den Jazzopen erinnern. Das war auf einer Grünfläche mitten in der Stadt.
Y: Ja, nach der Show komme ich an den Merchstand und da treffe ich dann meine Leute, meine Folks, wie ich sie nenne.
Y: Wieso sollte ich Dir das denn jetzt hier verraten? (lacht) Aber mit den zwei Alben stehe ich vor einer ganz neuen Aufgabe. Ich muss quasi ein Best-of der beiden Alben zusammenstellen. Das Problem hatte ich vorher gar nicht, da habe ich einfach komplett „Babyblues“ gespielt. Jetzt muss ich mich plötzlich entscheiden, das ist ganz fürchterlich. Am liebsten würde ich beide Alben komplett spielen. Aber dann würde das Konzert ja drei Stunden dauern, das hält ja kein Mensch aus.
Y: Da haste jetzt richtig gut eins und eins zusammengezählt (lacht), Bravo! Für mich ist der Begriff Heimat eher an die Menschen gekoppelt, die ich liebe und die mich lieben. Eben auch da, wo meine Musik ist - und die ist ja mittlerweile fast überall zu Hause, und darüber freue ich mich sehr!
Y: Ja, genau. Und glaube mir, das ist ganz groß für mich. Mir fehlen da die Worte, es ist einfach nur schön!
Y: Ach bitte, die Leute, die sagen, das sei sterbenslangweilig, sind selbst Langweiler! Es gibt doch nichts Geileres als auf Tour; man wacht auf und ist in einer komplett neuen Stadt! Ich bin zudem Läuferin, also ich jogge. Und ich weiß, dass Stuttgart auch bergig ist. Ich erlaufe mir die Stadt, schaue mir die Parks und Flüsse an, arbeite an neuem Material, checke was es für Plattenläden gibt. Ich bin eigentlich immer voll beschäftigt. Und wenn ich Freunde in der Stadt habe, dann treffe ich mich noch mit denen. Und irgendwann ist Soundcheck und Show. Ich fühle mich pudelwohl auf Tour, das ist mein normales Leben, mir passt das!
Y: Ich schreibe immer! Ich notiere mir viel am Laptop, nehme dann oft direkt etwas auf und auf Tour habe ich meine Jungs ja auch immer vor Ort dabei. Oft setze ich mich beim Soundcheck ans Piano, denn die Aufbauerei dauert ja ewig - besonders das Schlagzeug. Es sind schon viele Songs auf Tour entstanden.
Y: Zu viel! (lacht schallend) Das war ganz schön chaotisch bei den „Moody Blues“-Aufnahmen. Ich hatte viel zu viel geschrieben und habe dann irgendwann meine Produzenten entscheiden lassen, sodass die dann die stärksten Stücke rausgepickt haben. Aber nicht falsch verstehen, ich bin immer dabei. Nichts passiert über meinen Kopf hinweg und ich habe ja auch drei Songs selbst produziert.
Y: Das nervt mich total, und schreibe das bitte auch genau so. Ich habe die ganze Zeit nach einer Künstlerin gesucht, die ich mitnehmen kann. Denn so war das bei mir mit Joy Denalane auch und ich wollte da gerne etwas zurückgeben. Das hat mir damals so viel Power und Selbstbewusstsein gegeben. Aber wir haben niemanden gefunden; entweder wollten die Künstlerinnen nicht, oder es hat sonst wie nicht gepasst. Jetzt sind so Kerle mit dabei, Rob heißen die, machen Elektrosoul und ich finde die auch ganz cool. Aber ich hoffe, dass das trotzdem mal klappt mit dem Mädel im Vorprogramm.
Y: Super Idee! (lacht lauthals)
Y: Überhaupt nicht! Und das ist ja auch so ein deutsches Phänomen. Wenn eine schwarze Frau mit einer tiefen Stimme auf die Bühne kommt, dann sagt man: „Uh, das klingt wie Nina Simone oder Billie Holiday!“. Ich finde das schon fast verantwortungslos, wie hier mit solchen Namen um sich geworfen wird. Und die würden sich auch im Grabe umdrehen. Das sind absolut hochrenommierte und -respektierte Künstlerinnen. Da schäme ich mich schon fast… das sind für mich Größen, und zwar nicht nur für ihre Musik, sondern auch wofür sie abseits davon stehen und was sie erreicht haben. Oft werde ich auch mit Amy Winehouse verglichen, aber hey, ich komme aus den Neunzigern. Ich war so ein verrückter Teenager, habe alles Mögliche gehört. Tracy Chapman, Sade, Joan Armatrading, Leonard Cohen und später dann Skunk Anansie und Nirvana. Die haben mich stimmlich beeinflusst. Verstehe mich nicht falsch, ich will nicht rumpupen und ich weiß, die meinen das als Kompliment, aber ich finde es so weit hergeholt.
Y: Ach, ich glaube ich wäre auch eine richtig gute Anwältin geworden. Ich bin leidenschaftlich, willensstark, ich weiß, zumindest meistens (lacht), was ich rede und kann mir gut Sachen merken. Als ich in Ghana aufgewachsen bin, durfte ich nicht viel fernsehen, typischer Intellektuellenhaushalt eben. Neben den CNN-Nachrichten durfte ich nur die Bill-Cosby-Show sehen und Claire Huxtable fand ich als Anwältin eben extrem cool. Und es wäre auch richtig wichtig, dass Leute wie ich, also - ich hasse das Wort Migranten - Leute mit einer binationalen Herkunft, zur Polizei gehen oder eben Anwälte werden. Damit da mal Bezüge hergestellt werden, damit da Vertrauen aufgebaut werden kann.
Y: Ja, klar. Nee, das wäre ja auch komplett unehrlich, wenn ich hier was anderes behaupten würde. Auch wenn das viele machen (ahmt mit piepsiger Stimme eine Tussi nach „Ich habe noch nie Rassismus erfahren!“). So ein Quatsch! Wenn Du behindert bist, hast Du Diskriminierung erfahren, und wenn Du schwarz bist in diesem Land, hast Du auch schon Diskriminierung erfahren! Die Frage ist eben, wie sehr konzentrierst Du Dich darauf und wie sehr machst Du das zu Deinem persönlichen Tumor? Ich habe einfach für mich beschlossen, das nicht zu tun. Wenn Du mich dumm von der Seite anquatschst, dann ignoriere ich dich. Was mich aber ärgert, ist Folgendes, und das ist jetzt vielleicht kein Rassismus. Vor Kurzem wurde ich bei einem Radiosender - und ich nenne keine Namen - vom Chef dort angesprochen: „Ja, irgendwie schade, dass Du Deutsche bist, es hätte viel mehr Sinn gemacht, wenn Du Amerikanerin wärst!“ Das ist jetzt vielleicht kein böse gemeinter Rassismus, aber das finde ich zum Kotzen, entmutigend und frech. Denn es zeigt eben, dass wir immer noch ein sehr bestimmtes Bild davon haben, wie ein Deutscher auszusehen und zu sein hat.
Y: Oh, schreckliche Vorstellung keine Termine zu haben - ich liebe arbeiten. Wenn ich wirklich mal frei habe, dann verbringe ich die Zeit gerne mit meinen Freunden und meiner Familie.