Panzer im Pogo-Pit: Daniel „Panzer“ Friedl

„Am Ende eines jeden Tages sind wir drei Freunde, die zusammen versuchen Musik zu
machen und nicht drei Musiker, die zusammen versuchen Freunde zu sein.“ – so heißt einer der zentralen Sätze im zweiten (sic!) Buch der Eislinger Punker Itchy, die es in 20 Jahren Bandgeschichte längst zur überregionalen Bekanntheit geschafft haben und sich 2017 auch vom albernen Poopzkid-Appendix ihres Bandnamens getrennt haben. Acht Studioalben haben sie veröffentlicht, zwei davon haben es sogar in die Top20 der Charts geschafft, sie haben an die 1.000 Konzerte in 20 Ländern gespielt und sind ganz offensichtlich noch lange nicht am Ende. Basser und auch Sänger Daniel Friedl aka. “Panzer” hat bestens gelaunt mit XAVER am Telefon geplauscht und wir haben uns gemeinsam auf die Zukunft gefreut, in der wieder mehr Kultur möglich sein sollte.

XAVER: Moin Daniel oder lieber Panzer? Wieso überhaupt Panzer, wie biste denn zu dem Spitznamen gekommen?

Daniel „Panzer“ Friedl: Panzer bitte. Genau kann ich mich da nicht mehr dran erinnern, aber ich glaube, der Name wurde mir zu Schulzeiten als Punkername übergestülpt und – zumindest in Bandkreisen – habe ich ihn bis heute nicht mehr
losbekommen! Panzer im Pogo-Pit
X: Ich kenn glaub niemanden sonst, der Panzer heißt (ja, Paul Panzer ist mir erst nach dem Interview eingefallen! Anmerk. d. Verf.) …

DPF: Da gibt es noch den Typen von der Antilopen Gang, der heißt Panik Panzer und ist somit eine Art „Halb-Namensbruder“.
X: Klar, Panik Panzer. Witzig, dass Du die Lopis jetzt erwähnst, das ist nämlich das erste Konzert seit langem, dass ich besuchen werde, die spielen demnächst in Dachau ein „Corona-Sitz-Abstandskonzert“; ich bin gespannt, wie das wird…

DPF: Ja, man kann dann ja auch nicht so richtig eskalieren, oder? Wird bestimmt auch ungewohnt…
X: …auch für die Band, vermute ich mal. Habt Ihr irgendwas in die Richtung im letzten Jahr schon gemacht?

DPF: Wir haben uns dem Ganzen bisher verweigert, weil ein Hauptmerkmal eines Itchy-Konzertes ja der verschwitzte, tobende Pogo-Pit vor der Bühne ist. Ohne den ist eine normale Show also schwierig, aber wir gehen demnächst in einigen
Städten Deutschlands auf Lese- und Akustik-Show-Tour – sowas haben wir seither auch noch nie gemacht!
X: Zu Eurem ersten Buch gabs also keine Lesungen?

DPF: Doch, wir haben damals schon auch ein paar Lesungen gemacht, aber da konnte man keine Tickets dafür kaufen, da wurde damals nur über Radiosender Tickets für sehr intime Shows verlost. Dieses Mal wird das dann alles ein bisschen größer und mit Musik über die Bühne gehen.
X: Vor kurzem habe ich beim Zappen gedacht, dass Ihr am ESC teilgenommen habt – weil Ihr in Eurem „Gegen den Wind“-Clip doch auch im Mittelfi nger-Kostüm aufgetreten seid…

DPF: Das ist jetzt voll lustig, dass Du das ansprichst, weil mir gings so, dass meine Freundin die Herrschaft über die Fernbedienung hatte und am Zappen war und beim ESC hängengeblieben ist und da dann der deutsche Beitrag lief und ich mir nur dachte „Hey, das ist doch unser Kostüm!?“. Da hatte wohl jemand die gleiche Idee wie wir – wenn auch deutlich später.
X: Und leider wars musikalisch so gar nicht mit Euch vergleichbar…

DPF: (lacht) Nee, war auch nicht so mein Fall!
X: Dieser Tage erscheint Euer zweites (!) Buch. Was an sich schon recht überraschend ist, denn Punk verbindet man jetzt nicht unbedingt mit Buch-affi nem Volk. Woher kommt Eure Nähe zum „geschriebenen Wort“?

DPF: Wir haben direkt mit unserem ersten Konzert auch angefangen, ein Tourtagebuch zu führen. D.h. wir haben von allen – fast 1.000! – Konzerten, die wir in den 20 Jahren gespielt haben, eben auch einen Konzertbericht vorliegen, was so ein bisschen die Grundlage für die Bücher ist. Ich kann mich zwar nicht mehr konkret an alle Konzerte erinnern, die wir gespielt haben – teilweise ist das auch alkoholbedingt – aber ich kann ruckzuck nachschlagen, was am 17. August 2002 beim Konzert in Bausendorf-Olkenbach passiert ist. Unser erstes Buch kam 2015 raus und war damals auch so eine Art Ratgeber für junge, aufstrebende Bands, was man so beachten sollte im Musikbusiness (lacht), und das zweite Buch ist schon eher eine Biografie und beschäftigt sich auf 250 Seiten und in 16 Kapiteln mit der Frage, wie es nach 20 Jahren Bandgeschichte überhaupt so weit kommen konnte!
X: Wenn Du sagst, dass das erste Buch eine Art Ratgeber war, was ist denn dann Dein ultimativer Tipp für aufstrebende Bands, die es schaffen wollen?

DPF: Da gibt es natürlich ganz viele Sachen, die man nennen könnte, aber ich glaube, die zwei wichtigsten Sachen sind: 1. Dass man sich den Arsch aufreißen soll und von Rückschlägen nicht unterkriegen lassen soll und 2. Nicht allzu verbissen
unbedingt erfolgreich werden zu wollen. Habt einfach Spaß und macht die Musik, auf die Ihr auch wirklich Bock habt. Wenn es dann auch noch mit dem Erfolg klappt, kann man richtig stolz sein und sich noch mit erhobenem Haupt morgens im
Spiegel anschauen.
X: Ein englischer Musiker hat mir im Interview auf die Frage nach derartigen Tipps ganz trocken geantwortet „Get a good lawyer!“, ab einem gewissen Status scheinen gute Anwälte also auch hilfreich zu sein…

DPF: (lacht) Moment, das schreib ich mir gerade mal für später auf!
X: Hast Du unter all den tollen Anekdoten und Erlebnissen eine Lieblingsgeschichte im Buch?

DPF: Das Buch ist, wie gesagt, voll von witzigen und skurrilen Anekdoten und Aktionen, aber spontan würde mir unsere Show beim Schweizer Greenfield Festival einfallen. Das ist ein sehr großes Festival mit massig Rockstars und in dem
Jahr eben auch uns (lacht). U.a. haben da an dem Tag auch die Smashing Pumpkins gespielt.
Und jedes Mal, wenn deren Sänger Billy Corgan durch den Backstagebereich stolzierte, ließ er sich dabei von einer Horde Bodyguards begleiten, die alle Leute aus dem Weg gescheucht haben. Irgendwann mussten die anderen Künstler dann
sogar ganz in ihre Backstageräume verschwinden, wenn er mal wieder vorbeikam, und das war so affig! Keine der anderen, durchaus größeren, Bands hat sich so aufgeführt und uns ging das dann so auf die Nerven, dass wir kurz vor dem Auftritt der Smashing Pumpkins den bereits für ihn abgesperrten Korridor mit zwei Bierbänken geblockt und darauf mit ‘nem Dutzend Leuten eine feucht-fröhliche Party gefeiert haben. Wir haben´s halt nicht so mit diesem Rockstar-Getue…
X: Ihr habt über die Jahre offensichtlich aber auch viele nette Bekanntschaften geschlossen, denn in Eurem neuen Buch gibt es Gastbeiträge von u.a. Donots, Emil Bulls, Madsen, Jennifer Rostock – musstet Ihr die zwingen, oder sind das alle verkappte Literaten?

DPF: Naja, das sind ja eher überschaubare Beiträge von Weggefährten, mit denen wir viel erlebt haben. Die Emil Bulls z.B. haben uns damals als Vorgruppe mit auf Tour genommen und das war unsere erste Tour mit einem Nightliner. Sehr abgefahren, das erste Mal wirklich so ein bisschen Rock’n’Roll-Livestyle und es wurde massiv gebechert. Schön, dass so viele Bands, mit denen wir eine lange, gemeinsame Geschichte haben, Lust hatten, da etwas beizutragen!
X: Zum Erstverkaufstag Eures Buches habt Ihr die bestellten Bücher signiert, auf Bildern im Internet sah das nach mächtig vielen Büchern und drohender Sehnenscheidenentzündung aus – wie viele Bücher habt Ihr denn signiert?

DPF: Das war komplett verrückt. Ich habe keine genaue Zahl, aber ich meine, es waren so knapp 2.000 Stück, die wir signiert haben. Und weil das ja noch nicht genug war, haben wir jeweils noch eine individuelle Widmung dazu angeboten. Wir hatten an dem Abend schlimmere Handgelenksschmerzen als nach jeder Tour! (lacht)
X: Euer letztes Album „Ja als ob“ vom Februar 2020 war für Euch das erste in deutscher Sprache. Jetzt, so mit einiger Zeit Abstand – immer noch die richtige Entscheidung?

DPF: Ja, absolut. Ich bin eh der Meinung, dass man Sachen ausprobieren muss, um zu wissen, wie es denn dann läuft. Nach so langer Zeit mit englischen Texten war es einfach auch total spannend, mal etwas Neues auszuprobieren. Das hat
viel Spaß gemacht, kam super an, aber wir wissen heute noch nicht, in welcher Sprache unser nächstes Album erscheinen wird!
X: Wo Du das nächste Album ansprichst; das wird ein BestOf-Album werden, oder?

DPF: Stimmt, noch dieses Jahr kommt nach acht Studioalben in zwei Jahrzehnten unser erstes BestOf-Album raus. Das war eine ganz schöne Herausforderung für uns drei, sich da auf die Songauswahl zu einigen; soviel sei verraten, es wird
auf jeden Fall ein Doppelalbum werden!
X: Wie viele Leute sind denn bei normalen Shows mit Euch als Crew unterwegs, sprich wie viele Leute außer Euch Bandmitgliedern „leben“ sonst von der Band?

DPF: Wir haben eine sehr eingespielte Crew von vier Leuten, die meist schon seit vielen Jahren mit uns unterwegs sind.
X: Und die sind jetzt seit ca. eineinhalb Jahren ohne ihre gewohnte Arbeit und haben wie viele andere Leute im Kulturbereich seit dieser Zeit kaum Rechnungen schreiben können… das ist so bitter!

DPF: Da haben viele in der Zeit irgendwelche anderen Jobs angenommen, um sich irgendwie über Wasser zu halten. Deswegen sind wir ja auch so glücklich, dass es wieder losgeht und wir bei unseren Lese- und Akustik-Konzerten wieder mit den Leuten unterwegs sind!
X: Beim Stichwort Tourleben… Du kennst bestimmt die schrägen Cateringlisten berühmter Acts, steht bei Euch denn etwas Unerwartetes auf der Liste?

DPF: Nee, da sind wir recht langweilig und null extravagant. Das einzig Ungewöhnliche ist, dass wir uns immer eine tagesaktuelle, lokale Tageszeitung wünschen. Einfach, weil wir gerne wissen, was in dem Ort, in dem wir auftreten, gerade so aktuelle Themen sind. Und da gehen wir dann später beim Auftritt u.U. bei den Ansagen drauf ein und fragen
mal, was denn der Neubau der örtlichen Brücke am Rathaus so geht…
X: Weil ich weiß, dass Du auch in Sachen Fußball kompetent bist und da guten Geschmack beweist: Heute beginnt die Europameisterschaft. Wer wird Europameister und wie schlägt sich der VfB in der nächsten Saison?

DPF: Da muss ich mich mal ganz realistisch und langweilig geben, Europameister wird wohl Frankreich. Und in Sachen VfB bin ich eigentlich total positiv gestimmt, weil mit Mislintat und Hitzlsperger jetzt auch endlich mal das ganze Umfeld
stimmt. Aber es bleibt natürlich abzuwarten, wie viele geile Spieler uns in der Sommerphase weggekauft werden…
X: Aber auch da bin ich recht optimistisch. Früher hat der VfB ja auch immer wieder mal viel Geld bei Transfers kassiert, das Geld dann aber leider oft für nicht so dolle Spieler verballert. Dank Sven Mislintat wird das Geld zurzeit aber sehr gekonnt investiert – das wird!

DPF: Das seh ich genauso, ich bin da echt optimistisch!
X: Zum Abschluss die Signature-Frage: Du triffst die Märchen-Fee, die Dir drei Wünsche gewährt – welche wären das?

DPF: Oh, coole Frage und gleich drei Wünsche… (überlegt) Als erstes natürlich, dass diese Corona-Scheiße bald vorbeigeht und zwar nicht nur bei uns in Europa, sondern weltweit. Zweiter Wunsch wäre ganz simpel, dass wir mit unserer Band in 20, 40 und 60 Jahren immer noch Musik machen und auf der Bühne stehen dürfen. Und weil wir gerade
das Thema hatten wäre Wunsch Nummer drei, dass der VfB mal wieder Deutscher Meister wird!
X: Meinen Segen hast Du, ich drück die Daumen!

[Fotos: Diana Mühlberger, Text: Tom]


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