Der vielfältige Fredl: Max Mutzke

Der Schwarzwälder Maximilian Nepomuk Mutzke aka Max Mutzke ist seit vielen Jahren in den verschiedensten Genres als Sänger, Songwriter und Musiker aktiv und erfolgreich. Mit fünf Geschwistern aufgewachsen hat er heute selbst vier Kinder und ist ein echter Familienmensch. Anfang November ist er mal wieder beim Aalener Jazzfest zu Gast und hat im Vorfeld bestens gelaunt am Telefon mit uns geplaudert.

XAVER: Max! Schön, dass das mit dem Interview klappt – ich hoffe Dir geht’s gut?

Max Mutzke: Ja, danke, mir geht’s sehr gut! Ich leb ja hier im Schwarzwald so ca. auf 1000 Meter und wir haben ganz mildes Wetter und so einen geilen Herbstanfang gerade – ich liebe den Herbst. Für mich ist der Herbst eigentlich genauso vitalisierend wie der Frühling!
X: Das freut mich. Das hört man von Künstlern dieser Tage ja eher selten, dass es ihnen so uneingeschränkt gut geht…

MM: Corona mal beiseitegelassen. Ich habe das große Glück, dass ich die letzten Jahre sehr viel gespielt und gearbeitet hab, so dass ich mich jetzt auch ein Jahr zurücklehnen könnte. Aber 99,99% der Leute, die in der Kultur beschäftigt sind – also das Fundament unseres Eisberges – geht es richtig schlecht dieser Tage. Wir sind als Künstler ja nur die sichtbare Spitze dieses Eisberges; um den Betrieb am Laufen zu halten und Konzerte stattfinden zu lassen, arbeiten ja wesentlich mehr Leute im Hintergrund. Und die haben eben keine finanziellen Polster und können jetzt die Miete oder so Sachen wie den Klavierunterricht der Kinder nicht mehr bezahlen. Ich muss das also korrigieren, mir geht es nicht einfach gut, denn auch um mich herum werden die gravierenden Schicksalsschläge häufiger. Und dann steigen jetzt auch noch wieder die Infektionszahlen; ich hatte tatsächlich gedacht, dass die Mehrheit der Leute das mit den nötigen Maßnahmen zur Eingrenzung bis in den Herbst im Griff hätte. Ein zweiter Lockdown wäre für so viele, viele Menschen und Branchen eine Totalkatastrophe. Ich bin aber dankbar für die viele Zeit, die ich jetzt mit meiner Familie verbringen durfte, das habe ich seit Jahren nicht gehabt. Und als Selbstständiger hat man sich das auch jahrelang nicht leisten wollen, weil man auch immer Angst hat, sich zu lange rauszunehmen.
X: Für viele Künstler sind Konzerte vor sitzenden Leuten eine neue Erfahrung; Du hast Dich aber schon immer in mehreren Genres bewegt und hast auch früher schon in bestuhlten Hallen gespielt…

MM: Absolut. Und das ist ja nicht nur im Jazzbereich so, in der Woche des Lockdowns waren wir mit ca. 100 Leuten auf Tour, das war das WDR-Funkhaus-Orchester, wo wir 80 Leute auf der Bühne hatten. Und bei so großen Orchester-Sachen ist immer bestuhlt, auch wenn man z.B. in der Elbphilharmonie der Wiener Staatsoper oder in der Frankfurter Oper spielt. Ich liebe diese Locations und auch wenn die Leute sitzen, denn wenn ich mich empathisch ins Publikum reinversetze, liebe ich es, wenn man in gemütlichen Sesseln sitzen kann und so richtig zukucken kann. Aber natürlich spielen wir auch große Konzerte im Docks in Hamburg wo sich dann 1500 Leute rappelvoll drin stehen, die dann eben nochmal auf eine andere Art sexy ausrasten und tanzen – aber das war halt vor Corona…
X: Die Veranstalter waren da ja schon auch kreativ und haben Sachen gemacht, die man vorher nicht so auf dem Zettel hatte: Autokonzerte, Abstandskonzerte usw. Du hast sogar ein Strandkorbkonzert gespielt…

MM: Ich habe mich erst gar nicht überreden lassen Autokonzerte zu spielen, weil ich ein paar Künstler kenne, die das gemacht haben. Die sagen dann zwar in Interviews „Ja, war ganz toll der Abend, Dankeschön!“ aber dann telefoniert man mit den Leuten und sie beichten einem, dass es das Entsetzlichste war, was sie je gemacht haben; sie wollten nur dem Veranstalter nicht in den Rücken fallen. Es ist aber wohl der Horror, man hört statt den Leuten nur aggressives Hupen oder sieht winkende Scheibenwischer. Es hat offensichtlich auch nicht funktioniert, da ja weder auf Künstler- noch auf Publikumsseite eine große Motivation besteht das nochmal zu machen. Das Strandkorb-Konzert-Konzept ist wohl das einzige Format, das wirklich überzeugt hat. Der Veranstalter hat 30 Konzerte dieser Art gemacht und hat es geschafft mit einer schwarzen Null rauszukommen und das trotz des immensen finanziellen Aufwands für Personal und den Kauf von 500 Strandkörben. Das war das einzige, was ich mir vorstellen konnte und es war auch echt toll! Da sitzen die Leute gemütlich in einem Strandkorb mit hochgelegten Füßen und einer Kühltasche daneben, können per App Getränke bestellen und dann noch ein Konzert genießen – perfekt!
X: Du trittst im November nicht zum ersten Mal beim Aalener Jazzfest auf, dieses Jahr hast Du die Pianistin Marialy Pacheco dabei. Ihr kennt Euch seit Jahren und habt verschiedentlich zusammengearbeitet, was habt Ihr in Aalen vor?

MM: Zunächst mal: ich finde diese Kombination mit der Marialy total spannend.
Das ist optisch auch mal total außergewöhnlich, weil sie eine sehr schöne Frau aus Kuba ist, die einfach unfassbar Klavier spielen kann. Und wir reden da nicht von schön Akkorde legen und Pop-Balladen spielen, sondern sie ist eine Latin-Künstlerin von Weltrang, die mit Mendoza und anderen großen Künstlern spielt und unterwegs ist. Und das ist auch eine recht lustige Rollenumkehr, denn normalerweise kommt irgendein Fredl auf die Bühne, setzt sich ans Klavier und begleitet eine schöne Frau, die am Mikro steht und singt und bei uns ist das genau andersrum, irgendein Fredl singt und die schöne Frau spielt Klavier. Das alles hat also eine hohe Qualität und einen schönen optischen Reiz und dann fliegen zwischen mir und Marialy auch noch diese Blicke, die beim Publikum garantiert Fantasien auslösen. Jede Menge Virtuosität mit einem gewissen erotisch aufgeladenen Flavour also! Noch dazu hat Marialy eine total interessante Lebensgeschichte. Sie ist in Kuba aufgewachsen unter einem kommunistischen Regime, das einem u.a. das Reisen verbietet. Sie bekam dann die Möglichkeit an einem Kulturaustausch-Programm mit Deutschland teilzunehmen, reiste nach Deutschland und wusste, dass sie, weil sie eben Pianistin werden und weltweit unterwegs sein wollte, nicht mehr wiederkommen würde. Das konnte sie aber weder ihrer Familie noch ihren Freunden anvertrauen, um sie nicht zu Mitwissern zu machen und vor Bestrafung zu bewahren. Erst zehn Jahre später konnte sie erstmals zurückkommen und ihre Familie wiedersehen, sie hat also als junger Mensch auf alles verzichtet, um ihren Traum verwirklichen zu können. Mittlerweile hat sie einen deutschen Pass und war z.B. auch voll begeistert, als sie zum ersten Mal in ihrem Leben an einer Wahl teilnehmen durfte. Und ich mach ja gefühlt seit 1000 Jahren Projekte in Deutschland rund um die Themen Vielfalt und Akzeptanz und jemand wie Marialy ist für mich das beste Beispiel… Leute, schaut Euch an, was es bedeutet, wenn Menschen von woanders herkommen und Kultur und Musik mit zu uns bringen! Und wir dürfen das dann auf der Bühne nutzen und als Zuschauer genießen! Und ich gehe einfach mal davon aus, dass 99,9% meines Publikums eine ähnliche Wertevorstellung wie ich haben, auch wenn man es immer wieder mal erlebt, dass nach entsprechenden Ansagen von mir jemand den Raum verlässt – das ist aber extrem selten. Wenn man aber diese Marialy-Geschichte erzählt und dann nochmal für ein buntes Deutschland plädiert, dann merkt man, dass das Publikum echt begreift, das Vielfalt ein Geschenk für uns und unsere Gesellschaft ist.
X: Und im Programm sind dann auch Songs, die man von Deinen Alben kennt?

MM: Natürlich! Es sind eigentlich meine Songs, die sie durch ihr Ohr und Herz schickt, was aber nur die musikalische Begleitung betrifft. Wenn ich „Schwarz auf Weiß“ sing, oder „Can’t Wait Until Tonight“ oder Sachen wie „Welt hinter Glas“ dann erkennen die Leute das genau so wieder. Die Harmonien und Rhythmen und Virtuosität sind aber nochmal ganz andere. Und das ist dann wieder ein fast klassisches Crossover-Projekt.
X: John Lennon wäre heute 80 Jahre alt geworden und Du bist ja in mehreren Genres aktiv. Wie sieht denn Deine Plattensammlung aus – falls Du eine hast… ?

MM: Ich habe tatsächlich eine John Lennon-LP! Und ich habe das Vinyl-Platten-Hören erst vor zwei Jahren richtig angefangen und hab auch weder CD-Player noch Kassetten-Rekorder daheim. Ich habe zwei sehr schöne, große Stand-Alone-Aktivboxen und ein sehr schönes Plattenregal im Wohnzimmer stehen, wo der Plattenspieler draufsteht. Ich liebe es morgens aufzustehen und erst mal eine Platte aufzulegen – da hast Du voll ins Schwarze getroffen, das ist tatsächlich eine Leidenschaft von mir! Wir haben ja noch eine Wohnung in Köln und da ist direkt in der Nachbarschaft ein tierisch guter Plattenladen, und es passiert mir ganz oft, dass ich beim Verlassen der Wohnung „aus Versehen“ noch da vorbeigehe und später mit ein, zwei geilen Platten wieder rauskomme (lacht). Gerade die Beatles und auch John Lennon ist etwas, mit dem ich früher gar nicht so viel anfangen konnte. Und man sagt ja auch gerne mal – im Spaß – dass die Beatles überschätzt werden, aber muss man natürlich respektieren und abfeiern, was die so an Melodien und Texten gemacht haben. Man muss nur mal an „Imagine“ oder auch „Let It Be“ denken … das sind ja Wahnsinns-Melodien! Das ist aber keine Musik, mit der ich aufgewachsen bin – ich bin mit Black Music aufgewachsen. Aber besonders die Geschichte von John Lennon und diesem Fan, der erst noch morgens ein Autogramm von ihm bekommt und John dann später mit fünf Schüssen niederschießt als er ausgerechnet an diesem Tag nicht durch die Tiefgarage ins Gebäude kommt. Krass!
X: Dieser Tage war die erste Folge der 10. „Voice of Germany“-Staffel im Fernsehen zu sehen und Du hast ja selbst einen Bezug zu Casting-Shows – hast Du die Show gesehen?

MM: Nein, habe ich nicht. Das liegt aber daran, dass ich kein Fernseh-Mensch bin. Ich liebe lineares Fernsehen, wenn es um Filme geht, aber Reality- oder Casting-Shows und was sonst noch so in die Richtung geht, finde ich sehr anstrengend. Ich schaue aber sehr gerne mit Freunden oder auch der ganzen Familie einen schönen Film!
X: Aber Du bereust heute nicht, dass Du zu Anfang Deiner Karriere diesen Casting-Weg bei Stefan Raab gegangen bist?

MM: Im Gegenteil, ich bin sehr, sehr dankbar dafür. Es hat natürlich lange gedauert sich in den Köpfen der Leute aus diesem Casting-Thema raus zu musizieren, aber trotzdem war das eben mein Anfang. Zumindest in der Öffentlichkeit, denn ich mach ja schon Musik seit ich sechs Jahre alt bin. Das Haus in dem meine Familie aufgewachsen ist, war ein Musikerhaus und alle haben ein Instrument und ständig in Bands gespielt. Bei Raabs Castingformat war ich 22 und hab schon zwei Jahre lang Schlagzeug studiert, das war also einfach das Sprungbrett, das die Tür für mich aufgestoßen hat – und da bin ich auf jeden Fall sehr dankbar dafür!
X: Du hast im Astronauten-Anzug die erste Staffel von „The Masked Singer“ gewonnen. Das war bestimmt schön, aber in dem Astronauten-Kostüm, das Deine Identität verschleiern sollte, wars bestimmt auch ordentlich strapaziös, oder?

MM: Aber sowas von – ich wäre fast gestorben in dem Kostüm! An drei der vier Tagen, an denen wir das aufgezeichnet haben, waren in Köln Hitzerekorde. Mein Kostüm, das ich fast die ganze Zeit anhatte, war wie ein Skianzug mit hoher Latzhose und schwerer, gefütterter Jacke. Und dann eben noch dieser Helm, in dem man so gar keine Möglichkeit hatte, Frischluft zu bekommen… Bei der zweiten Staffel haben sie dann tatsächlich Ventilatoren in die Helme eingebaut! Bei 42° C in so einem Studio… es war verdammt heiß! Und ich war ja früher auch Moto-Cross-Fahrer und Hitze in Anzug und Helm gewohnt gewesen, aber das war doch nochmal eine ganz andere Geschichte.
X: Ein Anlass zum Feiern wird nächstes Jahr Dein 40. Geburtstag – planst Du eine große Feier oder ist Dir das gar nicht so wichtig?

MM: Du mieses Schwein hast mich an meinen 40er erinnert… nee, Quatsch, war ein Scherz (lacht)! Nee, ich habe mit dem Altern und dem Älterwerden tatsächlich überhaupt gar kein Problem. Vielleicht auch deswegen, weil Männer da einfach immer verdammt viel attraktiver werden! (lacht) Das habe ich gerade nur gesagt, weil meine Lebensgefährtin gerade neben mir steht und ich sie währenddessen angeschaut habe! Wir hatten immer ein Open House, das war in meiner Kindheit schon so und ist jetzt mit meiner Familie genauso geblieben. Ich hab also auch noch nie zu meinem Geburtstag eingeladen, noch nie! Ich weiß, ich muss einfach nur ein paar Kisten Getränke und viel zu Essen besorgen, dann geht von früh morgens bis spät in die Nacht die Tür auf und es kommen ständig Leute rein. Du hast aber schon recht, der 40er wird vom Umfeld zu etwas Besonderem gemacht.
X: Kommt nächstes Jahr dann auch ein neues Album?

MM: Wir sind auf jeden Fall dran. Ich bin ja jetzt bei Universal, einem Major, und wir machen unser erstes Album zusammen. Und ich habe auch eine ARD-Sendung bekommen, die nächstes Jahr ab dem 26. Januar vier Mal hintereinander ausgestrahlt wird. Da moderiere ich so eine Hochkultur-Musiksendung. Das ist für mich auch nochmal was ganz neues und ein weiteres Standbein. Im besten Fall werde ich da noch mehr in die Richtung machen, obwohl ich mir das erst gar nicht vorstellen konnte, die ARD aber hartnäckig unbedingt mit mir als Moderator zusammenarbeiten wollte. Es hat dann aber sehr viel Spaß gemacht und wer weiß, vielleicht wird man mich dann öfter im Fernsehen sehen. Aber parallel bin ich auch am Songwriting fürs nächste Album dran. Ich habe mich da kürzlich auch vor allem mit Rappern wie Clueso oder Eko Fresh getroffen und wir haben schon mehr als zehn Tracks geschrieben; aber ich kann jetzt noch nicht sagen, wieviele von denen dann später auch ihren Weg aufs Album finden…
X: Wow, da steht ja dann einiges Spannendes und Interessantes vor der Tür – auch nach dem Aalener Jazzfest – viel Erfolg dabei!


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